Auswirkungen des neuen Annex 13 auf Beanstandungen und Rückrufe

Wie kürzlich berichtet wurden im Dezember 2017 die "Detailed Commission guidelines on GMP for IMPs for human use" in finaler Version im Annex 13 des EU GMP-Leitfadens veröffentlicht.

Die Abschnitte 10 und 11 der Detailed Commission Guideline behandeln die Themen Beanstandungen (Complaints) und Rückrufe (Recalls). Was hat sich im Vergleich zum bisherigen Annex 13 (GMP für klinische Prüfmuster) geändert?

Insgesamt scheint es einige Unklarheiten in Bezug auf die Sponsor- / Herstellerverantwortung zu geben. Beispielsweise liegen einige der Aktivitäten in der Regel in der Verantwortung des Sponsors (z.B. nach EU-GMP-Leitfaden, Teil 1, Kapitel 8), wurden nun aber dem Hersteller zugeordnet (z.B. Entblindung in Notfallsituationen, Vernichtungen), bzw. sind entfallen oder vom GMP in den GCP Bereich verschoben worden. 

Die Detailed Commission Guideline enthält in Bezug auf die Themen Beanstandungen und Rückrufe Verweise auf:

  • den EU-GMP-Leitfaden, Teil 1, Kapitel 8 (Beanstandungen, Qualitätsmängel und Produktrückrufe),
  • die Delegierte Verordnung (EU) 2017/1569,
  • die EU GCP Verodnung 536/2014 (Clinical Trials Regulation, CTR).

Der bisherige Annex 13 und die Detailed Commission Guideline liegen aktuell nur in englischer Ausgabe vor. Demgegenüber gibt es offizielle deutsche Übersetzungen der drei oben genannten Dokumente. Um Missverständnissen vorzubeugen, wird im weiteren Verlauf dieser News der englische Text des bisherigen Annex 13 und der Detailed Commission Guideline beibehalten und nur dort, wo es offizielle deutsche Übersetzungen gibt, der deutsche Text verwendet. Einen detaillierten Vergleich der bisherigen Anforderungen mit den Änderungen in Bezug auf Beanstandungen und Rückrufe finden Sie im Folgenden:

Abschnitt 10. COMPLAINTS der Detailed Commission Guideline
Neu sind ausdrückliche Forderungen nach

  • "written procedures describing the actions to be taken upon receipt of a complaint at the manufacturing, storage or importation site."
  • "All complaints should be documented and assessed to establish if they represent a potential quality defect or other issue."
  • "The procedures should ensure that the sponsor is able to assess the complaints to determine if they justify the reporting of a serious breach, as required by Article 52 of Regulation (EU) No 536/2014" .

Artikel 52 "Meldung schwerwiegender Verstöße" der CTR besagt: "(1) Der Sponsor meldet den betroffenen Mitgliedstaaten einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Verordnung oder gegen den zu dem betreffenden Zeitpunkt geltenden Prüfplan über das EU-Portal unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von sieben Tagen, nachdem er davon Kenntnis erhalten hat. (2) Im Sinne dieses Artikels bezeichnet ein „schwerwiegender Verstoß“ einen Verstoß durch den die Sicherheit und die Rechte eines Prüfungsteilnehmers oder die Zuverlässigkeit und Belastbarkeit der im Rahmen der klinischen Prüfung gewonnenen Daten wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt werden."

  • "The investigation of quality defects should be performed in accordance with the principles detailed in the EU GMP Guidelines, Part I, Chapter 8 (Complaints and Product Recall)".

Der folgende Abschnitt befindet sich im bisherigen Annex 13 und wurde in der Detailed Commission Guideline etwas geändert:

  • "The conclusions of the investigation should be discussed between the manufacturer and the sponsor, if different, in a timely manner" (der bisherige Annex 13 enthält an dieser Stelle auch den Importeur). "This should involve the Qualified Person (QP) and those responsible for the relevant clinical trial in order to asses any potential impact on the trial, product development and on subjects."

Abschnitt 11. RECALLS AND RETURNS der Detailed Commission Guideline

11.1. Recalls

  • "Procedures for retrieving investigational medicinal products and documenting this retrieval should in line with Article 14 of the Delegated Regulation be agreed by the sponsor in cooperation with the manufacturer, where different" (der bisherige Annex 13 enthält an dieser Stelle auch den Importeur).

Artikel 14 "Beanstandungen, Produktrückruf und Entblindung in Notfallsituationen" der Delegierten Verordnung besagt:

"(1) Der Hersteller muss in Zusammenarbeit mit dem Sponsor ein System zur Aufzeichnung und Überprüfung von Beanstandungen implementieren, zusammen mit einem wirkungsvollen Rückrufsystem, um Prüfpräparate, die bereits in den Vertrieb gelangt sind, jederzeit schnell zurückrufen zu können. Der Hersteller verzeichnet und untersucht jeden Mangel, der möglicherweise zu einem Rückruf oder einer ungewöhnlichen Einschränkung der Versorgung führt, und unterrichtet den Sponsor und die zuständige Behörde des betroffenen Mitgliedstaats davon. Es sind sämtliche Prüfstellen zu identifizieren und, soweit möglich, auch die Empfängerländer anzugeben. Bei zugelassenen Prüfpräparaten informiert der Hersteller in Zusammenarbeit mit dem Sponsor den Zulassungsinhaber über jegliche Mängel, die mit diesem Produkt in Verbindung stehen könnten."

"(2) Wenn das Protokoll einer klinischen Prüfung die Verblindung von Prüfpräparaten vorsieht, bringt der Hersteller gemeinsam mit dem Sponsor ein Verfahren zur raschen Entblindung verblindeter Produkte zur Anwendung, wenn dies für einen sofortigen Rückruf nach Absatz 1 erforderlich ist. Der Hersteller gewährleistet, dass die Identität eines verblindeten Produkts nur soweit enthüllt wird, wie dies erforderlich ist."

Demgegenüber, sagt der EU GMP-Leitfaden, Teil I, Kapitel 8 (Beanstandungen, Qualitätsmängel und Produktrückrufe): "Der Sponsor sollte ein Verfahren durchführen zur zügigen Entblindung verblindeter Produkte, wenn dies erforderlich ist für einen sofortigen Rückruf. Der Sponsor sollte sicherstellen, dass das Verfahren die Identität des verblindeten Produkts nur soweit wie nötig offenlegt."

  • "The manufacturer, investigator and the sponsor's representative need to understand their obligations under the retrieval procedure" (bisher: "The investigator and monitor need to understand their obligations under the retrieval procedure").
  • "The procedures for retrieval of investigational medicinal products should be in accordance with the principles detailed in EU GMP Guidelines, Part I, Chapter 8".
  • "To facilitate recall, a detailed inventory of the shipments made by the manufacturer should be maintained."

Der folgende Abschnitt des bisherigen Annex 13 wurde in der Detailed Commission Guideline gelöscht:

  • "The Sponsor should ensure that the supplier of any comparator or other medication to be used in a clinical trial has a system for communicating to the Sponsor the need to recall any product supplied."

Laut der Definition der CTR ist ein „Prüfpräparat“ (IMP) ein Arzneimittel, das in einer klinischen Prüfung getestet oder als Vergleichspräparat (comparator), auch als Placebo, verwendet wird. Daher ist das Vergleichspräparat in den oben gemachten Anforderungen zum Prüfpräparat enthalten.

11.2. Returns

  • Wie auch im bisherigen Annex 13 enthalten: "Returned investigational medicinal products (IMPs) should be clearly identified and stored in an appropriately controlled, dedicated area. Inventory records of returned products should be kept."

Der folgende Abschnitt des bisherigen Annex 13 wurde in der Detailed Commission Guideline gelöscht:

  • "IMPs should be returned on agreed conditions defined by the sponsor, specified in approved written procedures."

Diese Forderung wurde in den GCP-Bereich verschoben, denn es befindet sich dazu eine Passage in Artikel 51 (Rückverfolgbarkeit, Lagerung, Rückgabe und Vernichtung von Prüfpräparaten) der CTR: "(1) Prüfpräparate müssen rückverfolgbar sein. Sie werden in geeigneter und angemessener Weise aufbewahrt, zurückgegeben und/oder vernichtet, so dass die Sicherheit der Prüfungsteilnehmer und die Zuverlässigkeit und Belastbarkeit der im Rahmen einer klinischen Prüfung gewonnenen Daten sichergestellt sind; dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob das Prüfpräparat bereits zugelassen ist und ob es sich um eine minimalinterventionelle klinische Prüfung handelt. Unterabsatz 1 gilt auch für nicht zugelassene Hilfspräparate" (laut CTR sind Hilfspräparate Arzneimittel, die in einer klinischen Prüfung verwendet werden, jedoch nicht als Prüfpräparate. Das sind beispielsweise Arzneimittel, die als Hintergrundtherapie eingesetzt werden). (2) "Das Antragsdossier enthält einschlägige Informationen zur Rückverfolgbarkeit, Lagerung, Rückgabe und Vernichtung der Arzneimittel gemäß Absatz 1."

11.3 Destruction

  • "The manufacturer or sponsor’s representative should destroy IMPs only with prior written authorisation by the sponsor. The arrangements for destruction of IMPs have to be described in the protocol. Any arrangement between sponsor and manufacturer in this regard should be defined in their technical agreement."
  • "Records of destruction operations should be retained, including a dated certificate of destruction or a receipt for destruction to the sponsor."

Im bisherigen Annex 13 ist ganz klar der Sponsor für die Vernichtung nicht verwendeter und/oder zurückgegebener IMPs und für die Aufbewahrung der Aufzeichnungen darüber verantwortlich:

  • "The Sponsor is responsible for the destruction of unused and/or returned investigational medicinal products. Investigational medicinal products should therefore not be destroyed without prior written authorisation by the Sponsor."
  • "The records should be kept by the Sponsor".

Die CTR und die Detailed Commission Guideline werden erwartungsgemäß frühestens in der zweiten Hälfte des Jahres 2019 erstmalig anwendbar sein. Weitere Informationen zum Annex 13 und der Detailed Commission Guideline finden Sie in EudraLex, Volume 4.

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