Brexit-Abkommen - und was jetzt?

Nach intensiven Verhandlungen haben sich die Verhandlungsführer der Europäischen Union (EU) und des Vereinigten Königreichs (United Kingdom, UK)  am 24. Dezember 2020 auf ein vorläufiges Handels- und Kooperationsabkommen geeinigt. Bis Jahresende haben dann alle verbleibenden EU-Mitgliedstaaten dem Abkommen und seiner vorläufigen Anwendung ihre Zustimmung erteilt. Damit das Abkommen endgültig in Kraft treten kann, ist noch die Zustimmung des Europäischen Parlaments erforderlich.

Was steht im Dokument?

Primär geht es im Dokument um eine Wirtschaftspartnerschaft und Regelungen des Handels. So wird eine Zollfreiheit für Waren vorgesehen, die den entsprechenden Ursprungsregeln genügen. Des Weiteren geht es auch um Themen wie Dienstleistungen, Berufsqualifikationen, Umwelt- und Energiefragen, Güterverkehr sowie Regelungen zu Sozialversicherung oder Forschung und Entwicklung. Einen recht guten Überblick über die Regelungen finden Sie hier.

Nur wenige der Bestimmungen beziehen sich direkt auf Arzneimittel und die damit verbundenen Vorgaben. Es gibt hierzu zwar einen Anhang (TBT-2: Arzneimittel), dieser bezieht sich aber im Wesentlichen auf Zusammenarbeit, die Anerkennung von Inspektionen, den Austausch und die Anerkennung von offiziellen GMP-Dokumenten und die Einrichtung einer Arbeitsgruppe - jedoch auf nichts, was an der von EU Kommission, EMA und MHRA im Vorjahr kommunizierten Situation etwas ändern könnte.

Ein Mutual Recognition Agreement (MRA), wie von vielen erhofft, ist dies nicht. So wird weder die gegenseitige Anerkennung von Chargenprüfungen noch die Chargen-Zertifizierung und Freigabe von Arzneimitteln abgedeckt. Dies bedeutet, dass bei aus UK importierten Arzneimitteln eine erneute Chargenzertifizierung durch eine sachkundige Person (Qualified Person, QP) in der EU nach EU-GMP durchgeführt werden muss.

Auch wurde eine mögliche gegenseitige Anerkennung der Zulassungsentscheidungen ebenso wenig vereinbart wie eine Übergangsfrist.
Weiter heißt es in dem Dokument, dass eine Behörde sich "unter bestimmten Umständen" dafür entscheiden kann, "ein amtliches GMP-Dokument, das von einer Behörde der anderen Vertragspartei für Produktionsanlagen im Gebiet der ausstellenden Behörde ausgestellt wurde, nicht anzuerkennen", z.B. bei Unstimmigkeiten oder Unzulänglichkeiten in einem Inspektionsbericht oder bei Qualitätsmängeln. Die Behörden auf beiden Seiten des Kanals tauschen also alle erforderlichen Informationen aus, die nötig sind für die Anerkennung von Inspektionen und von offiziellen GMP-Dokumenten. Eine Garantie ist dies aber nicht. Und nun kann es tatsächlich sein, dass die MHRA in bestimmten Fällen zu einer Inspektion kommen kann. Hierzu heißt es entsprechend in Artikel 7 des Anhangs "Jede Vertragspartei hat das Recht, eigene Inspektionen von Herstellungsbetrieben durchzuführen, die von der anderen Vertragspartei als konform bescheinigt wurden".

Ergänzend heißt es im Anhang, dass sich EU und UK um eine Zusammenarbeit "bemühen" bei der Entwicklung und Annahme und Umsetzung international vereinbarter wissenschaftlicher oder technischer Leitlinien. Hiermit soll wohl ein langsames Auseinanderdriften neuer GMP-Anforderungen verhindert werden. Eine Garantie ist es allerdings nicht. Bei geplanten Änderungen geltender Rechts- und Verwaltungsvorschriften ist der Vertragspartner mindestens 60 Tage vor der Annahme neuer Maßnahmen oder Änderungen im Zusammenhang mit der Guten Herstellungspraxis (GMP) zu informieren.

Anforderungen seitens UK

Die MHRA hat aktuell eine Reihe von Vorgaben aktualisiert bzw. neu erstellt. So wurden z.B. Leitfäden im Bereich Arzneimittelzulassung aktualisiert. Hiermit wurden Änderungen an den nationalen Zulassungsverfahren eingeführt, darunter Verfahren zur Priorisierung des Zugangs zu neuen Medikamenten, ein beschleunigtes Bewertungsverfahren und neue Wege der Bewertung für neuartige Produkte und biotechnologische Produkte. Zu finden ist dies alles auf der Website der MHRA.
Auch auf die Herausforderungen bei zentralen Zulassungen und laufenden Zulassungsverfahren wird eingegangen und entsprechende neue Leitlinien veröffentlicht., wie z.B. "Guidance on the handling of applications for Centrally Authorised Products (CAPs)" und "Procedural advice for Northern Ireland on applications for European Commission Centralised Marketing Authorisations". Ebenfalls in aktualisierter Form veröffentlicht wurden Leitlinien zur Handhabung von dezentralen Verfahren oder Verfahren der gegenseitigen Anerkennung ("Guidance on handling of Decentralised and Mutual Recognition Procedures which are approved or pending").

Auch hat die MHRA eine Guidance zum Standort von Zulassungsinhaber und QPPV (Qualified Person responsible for Pharmacovigilance) veröffentlicht. Dieses etwas sperrige Dokument besagt, dass die vorgeschriebene QPPV für national zugelassene Produkte nicht nur in UK, sondern auch in der EU bzw. im EWR ansässig sein kann. Zulassungsinhaber für UK-Zulassungen müssen in UK oder in der EU bzw. im EWR niedergelassen sein. Ist die QPPV nicht in UK ansässig, wird allerdings eine Kontaktperson in UK für Pharmakovigilanz benötigt.
Achtung! Umgekehrt wird eine in UK ansässige QPPV in den EU-Mitgliedstaaten nicht akzeptiert.

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