Chargenfreigabe ohne Gehaltsbestimmung und andere GMP-Verstöße - ein Blick auf die FDA Warning Letters der letzten Monate
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Bei der Analyse der Warning Letters an Hersteller von Fertigarzneimitteln, die im vergangenen Fiskaljahr (Okt. 2018 - Sept. 2019) weltweit versendet wurden, überrascht zunächst einmal die schiere Menge: mit insgesamt 81 Warning Letters ist das - über einen fünf-Jahreszeitraum betrachtet - die höchste Anzahl (die an Compounder bzw. Compounding Pharmacies gerichteten Warning Letters werden in dieser Analyse nicht berücksichtigt.). Demgegenüber sank die Anzahl der Warning Letters an Wirkstoffhersteller nach einem Spitzenwert im Fiskaljahr 2017 wieder auf den Stand von vor fünf Jahren (zum Vergrößern auf das Bild klicken).
Aufschlussreich ist die Analyse der 81 Warning Letters nach Ländern, in denen die pharmazeutischen Unternehmen ihren Sitz haben. Erwartungsgemäß ging der größte Teil (46) der Warning Letters an US-amerikanische Firmen; eine nicht geringe Anzahl (27) wurde jedoch an Firmen in Fernost verschickt, u. a. nach Indien und China.
Wie in den Jahren zuvor zeigt die inhaltliche Analyse der Warning Letters der letzten 12 Monate einen ähnlichen Sachverhalt: Die häufigsten GMP-Verstöße betreffen grundsätzliche Anforderungen, wie sie eigentlich jeder pharmazeutische Betrieb ganz selbstverständlich etabliert haben müsste. Die folgende Grafik veranschaulicht, auf welche Kapitel im Code of Federal Regulation Part 211 sich die in den Warning Letters am häufigsten zitierten Mängel - die "Top Five" - beziehen.
Ein genauerer Blick auf die in den Warning Letters beschriebenen Details zeigt ein ähnliches Bild wie in den vergangenen Jahren. Nachfolgend exemplarisch einige Auszüge aus den Zitaten, die sich auf Verstöße gegen die Anforderungen der Kapitel 211.165 Testing and release for distribution und 211.166 Stability Testing beziehen:
Your firm failed to establish and document the accuracy, sensitivity, specificity, and reproducibility of its test methods (21 CFR 211.165(e)).
Your firm did not validate analytical test methods used to determine assay for the active ingredients in your drug product before release for distribution. Your notebook and high performance liquid chromatography (HPLC) report included different instrumentation parameters for the same active ingredient analysis.
Your firm failed to have, for each batch of drug product, appropriate laboratory determination of satisfactory conformance to final specifications for the drug product, including the identity and strength of each active ingredient, prior to release (21 CFR 211.165(a)).
Your firm released over-the-counter (OTC) drug products without performing any final drug product testing including, but not limited to, identity and strength of the active ingredient …
… you tested … batches of … API for … . All results were reported as passing. However, during the FDA inspection … , we requested retesting the same batches under our observation. All retest results were OOS.
Your firm failed to conduct, for each batch of drug product, appropriate laboratory testing, as necessary, required to be free of objectionable microorganisms (21 CFR 211.165(b)).
Our inspection found you released drugs products without appropriate microbiological testing.
Your firm failed to establish and follow an adequate written testing program designed to assess the stability characteristics of drug products and to use results of such stability testing to determine appropriate storage conditions and expiration dates (21 CFR 211.166(a)).
Your firm failed to conduct a long-term room temperature stability study to support the expiration dates of your over-the-counter drug products.
Your firm did not have an adequate stability testing program to demonstrate that the chemical … properties of your OTC drug products remain acceptable throughout their labeled expiry period. For example, your stability testing program does not include an assay determination of the active ingredient(s) in your OTC drug products.
You lack adequate stability data to support the labeled two-year expiration date … . Specifically, you failed to test for assay at the time intervals you specified in your accelerated stability program used to support your expiration date, nor did you have complete long-term stability data. Therefore, you do not have adequate data to support stability of your drug product throughout its labeled shelf life.
Endkontrollen vor der Chargenfreigabe ohne den Nachweis der Übereinstimmung mit den Spezifikationen sind grundlegende GMP-Sünden, die mit Sicherheit dafür sorgen, dass der betreffende Betrieb eine FDA-Inspektion nicht ohne Warning Letter übersteht. Das gleiche gilt für unzureichende Stabilitätsstudien, aus denen sich der Haltbarkeitszeitraum für das Produkt nicht ableiten lässt. Diese Mängel und weitere GMP-Verstöße, z. B. in Bezug auf die Chargendokumentation, das Abweichungsmanagement oder die Prüfung von Komponenten und Primärpackmitteln sind die unmittelbare Konsequenz der Versagens der Qualitätseinheit. Dieser fundamentale Mangel wurde daher auch in der Hälfte der Warning Letters (41) zitiert. Das folgende Zitat drückt diese Tatsache knapp und treffend aus:
Your firm failed to establish an adequate quality control unit, and procedures applicable to the quality control unit, with the responsibility and authority to approve or reject all components, drug product containers, closures, in-process materials, packaging materials, labeling, and drug products (21 CFR 211.22(a) and (d)).
You lack adequate quality oversight.
Erstaunlicherweise tauchen die GMP-Mängel in den Bereichen Qualitätseinheit (211.22), Verfahrensanweisungen/Abweichungen (211.100), Chargenkontrolle/Bestätigung der Spezifikationskonformität (211.165), Überprüfung der Chargendokumentation (211.192) und Stabilitätsprüfung (211.166) als Zitate in den Warning Letters immer wieder in etwa derselben relativen Häufigkeit auf. Dies zeigt die folgende Grafik, die die relative Häufigkeit (in %) der "Top Five" im Verlauf der letzten fünf Fiskaljahre, also im Zeitraum Oktober 2014 bis September 2019 veranschaulicht:
Die Werte für 211.22, 211.100 und 211.165 liegen in diesem Zeitraum (außer in den Fiskaljahren 2017 und 2015) alle z. T. deutlich über 30%, d. h. seit Ende 2014 wird mindestens in jedem dritten Warning Letter die mangelhafte Arbeit der Qualitätseinheit kritisiert (211.22). Das gilt annähernd auch für Verstöße gegen die Pflicht zur sorgfältigen und zuverlässigen Überprüfung der Chargendokumentation (211.192). Mängelrügen in Bezug auf unzureichende Stabilitätsprüfungen (211.166) tauchen in den Fiskaljahren 2016, 2018 und 2019 in etwa in jedem fünften Warning Letter auf.
Ein allgemeiner Effekt bei zahlreichen Firmen, die sich auf eine FDA-Inspektion vorbereiten - etwa im Sinne von Erkenntnissgewinn ("lessons learned") aus den immerhin für viele Jahre öffentlich zugänglichen Warning Letters - ist nicht erkennbar. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Trends künftig in ähnlicher Weise fortsetzen.