Die Wirksamkeit von Desinfektionsmittelwirkstoffen: Ein Überblick
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Desinfektionsmittel spielen eine zentrale Rolle bei der Reduzierung und Eliminierung von potentiellen Kontaminationen bei der Herstellung sensibler Produkte wie Arzneimittel, Medizinprodukte oder auch Kosmetika. Ihre Wirksamkeit bzw. ihr Wirkspektrum hängt von den verwendeten Wirkstoffen, der Art der Mikroorganismen, gegen die sie eingesetzt werden, sowie den Bedingungen der Anwendung ab. In diesem Artikel soll ein kurzer Überblick gegeben werden über die häufigsten Wirkstoffe in Desinfektionsmitteln und ihre Wirksamkeit gegen verschiedene Mikroorganismen. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass es sich in der Regel um Gefahrstoffe handelt und beim Umgang mit Desinfektionsmitteln immer auf die Sicherheit der Anwender geachtet werden muß und die entsprechenden Vorgaben eingehalten werden.
1. Alkohole (Ethanol, Isopropanol (2-Propanol), n-Propanol (1- Propanol) u.a.)
Alkohole wie z. B. Ethanol und Isopropanol sind weit verbreitete Wirkstoffe in Desinfektionsmitteln, die in Konzentrationen von 60% bis 90% verwendet werden. Sie wirken hauptsächlich durch die Denaturierung von Proteinen und die Auflösung von Lipiden in der Zellmembran von Mikroorganismen. Häufig kommen Alkohole dann zum Einsatz, wenn es um eine schnelle Desinfektion geht, denn sie liegen in der Regel als gebrauchsfertige Desinfektionsmittel vor und wirken gegen viele Mikroorganismen mit einer kurzen Einwirkzeit. Ein weiterer Aspekt für die Wahl von alkoholischen Desinfektionsmitteln ist die Rückstandsproblematik vieler anderer Wirkstoffe, besonders auf Flächen mit Produktkontakt bzw. der Anwendung in Produktnähe. Unvergällte Alkohol-/Wasser-Lösungen hinterlassen, soweit sie keine sonstigen Zusatzstoffe wie Tenside oder Netzmittel enthalten, keine Rückstände auf der Oberfläche.
Wirksamkeit: Sehr effektiv gegen eine breite Palette von Bakterien, einschließlich grampositiver und gramnegativer Bakterien. Sie sind auch wirksam gegen viele Viren, insbesondere behüllte Viren wie das Influenza- und das Coronaviren. Alkohol hat jedoch eine geringere Wirksamkeit gegen unbehüllte Viren wie das Norovirus und ist wenig bis gar nicht effektiv gegen bakterielle Sporen und einige Pilze.
2. Chlorverbindungen (Natriumhypochlorit, Chloramin-T)
Chlorverbindungen, insbesondere Natriumhypochlorit, sind starke Oxidationsmittel, die durch die Freisetzung von Hypochlorsäure Mikroorganismen abtöten.
Wirksamkeit: Chlorverbindungen sind extrem effektiv gegen ein breites Spektrum von Mikroorganismen, einschließlich Bakterien, Viren (sowohl behüllte als auch unbehüllte), Pilze und Sporen. Ihre Wirksamkeit wird jedoch durch organische Materie wie Blut oder Schmutz reduziert, weshalb die Oberfläche vor der Anwendung von Chlorverbindungen gereinigt werden sollte. Außerdem können sie korrosiv auf Metalle wirken und bei unsachgemäßer Verwendung Haut- und Atemwegsreizungen verursachen.
3. Aldehyde (Formaldehyd, Glutardialdehyd, Glyoxal u.a.)
Aldehyde wirken durch die Alkylierung von Proteinen, Nukleinsäuren und anderen Zellbestandteilen, was zu einer Inaktivierung von Mikroorganismen führt. Auf Grund ihres Potentials, die menschliche Gesundheit zu gefährden (obstruktiven Atemwegserkrankungen, Keimzellmutagenität, Karzinogenität) kommen Aldehyde in vielen Ländern gar nicht mehr, oder nur in bestimmten Fällen zum Einsatz.
Wirksamkeit: Aldehyde sind hochwirksam gegen Bakterien, Viren, Pilze und Sporen. Aufgrund ihrer starken Wirksamkeit werden sie häufig in der Sterilisation von medizinischen Geräten eingesetzt. Allerdings sind sie auch potenziell toxisch und können allergische Reaktionen und Atemwegsprobleme verursachen. Ihre Verwendung erfordert daher besondere Vorsichtsmaßnahmen, einschließlich ausreichender Belüftung und Schutzkleidung.
4. Kationische und Amphotere Verbindungen (Quaternäre Ammoniumverbindungen (QAV), z. B. Benzalkoniumchlorid, Guanidine z.B. Chlorhexidin, Octendin, Amphotenside )
Viele dieser Produkte wirken an der bzw. auf die Zellmembran der Mikroorganismen. QAVs, wie Benzalkoniumchlorid, wirken durch die Disruption der Zellmembranen von Mikroorganismen, was zu einem Verlust der Zellintegrität führt. Allerdings neigen z. B. QAV dazu, bei regelmäßigem Einsatz einen Rückstandsfilm auf der Oberfläche zu bilden, der zu Klebeeffekten führen kann.
Wirksamkeit: Sie sind effektiv gegen grampositive Bakterien, einige gramnegative Bakterien und behüllte Viren. Ihre Wirksamkeit gegen unbehüllte Viren, Sporen und einige Pilze ist jedoch begrenzt. QAVs werden oft in Oberflächendesinfektionsmitteln verwendet und haben den Vorteil, dass sie weniger reizend und geruchsneutral sind. Inzwischen wird auch über mögliche Resistenzentwicklungen von Mikroorganismen (basierend auf veränderten Membrantransporter (Effluxpumpe) die den Wirkstoff aus der Zelle ausschleusen) gegen QAV bekannt, wird was ihren Langzeiteinsatz einschränken könnte.
5. Oxidanzien/Sauerstoffabspalter (Ozon , Wasserstoffperoxid, Persäuren (Peressigsäure)
Während Ozon eher zur Behandlung von Wasser genutzt wird, finden Persessigsäure oder Wasserstoffperoxid auch Einsatz bei der Desinfektion von Oberflächen und Produktionsanlagen. Die wirkung beruht auf der Freisetzung von Sauerstoffradikalen d. h. die Produkte sind starke Oxidationsmittel. Die Sauerstoffradikale wirken auf die Zellmembran bzw. die Zellwand bzw. auf die Viruskapsel. Die hohe Oxidationskraft kann sich aber leider auch auf sensible Oberflächen auswirken und z. B. zu Korrosion führen. Beim Zerfall von Persesigsäure entsteht außerdem neben Sauerstoff und Wasser auch Essigsäure, was für den Anwender zur Geruchsbelästigung führen kann. Auch hier ist bei der Anwendung immer auf die Sicherheit der Anwendenden zu achten.
Wirksamkeit: Wasserstoffperoxid ist wirksam gegen Bakterien, Viren, Pilze und Sporen. Es hinterlässt keine Rückstände, da es zu Wasser und Sauerstoff zerfällt, und ist weniger schädlich für die Umwelt. Es kann jedoch Haut- und Augenreizungen verursachen und ist in hohen Konzentrationen ätzend.
6. Phenole und phenolische Verbindungen
Phenole zerstören Zellmembranen und inaktivieren essentielle Enzyme und Proteine innerhalb der Mikroorganismen. In vielen Ländern kommen Sie aus ökologischen und gesundheitlichen Aspekten nicht mehr oder nur in definierten Ausnahmefällen zum Einsatz (Desinfektion von Sputum, abgetrennten Körperteilen etc.).
Wirksamkeit: Phenole sind effektiv gegen Bakterien (insbesondere grampositive), Pilze und einige Viren. Ihre Wirksamkeit gegen Sporen ist jedoch eingeschränkt. Phenole werden häufig in Krankenhäusern verwendet, aber ihre Toxizität und potenziell unangenehmen Gerüche haben zu einer Verringerung ihrer Popularität geführt.
Fazit
Die Wahl des Desinfektionsmittels hängt von der spezifischen Anwendung, den Zielmikroorganismen (handelt es sich um Produktion und wenn ja welche - z. B. Produktion von viralen Impfstoffen oder ist es für das Labor - wenn ja, welcher Bio Safety Level), und den Umgebungsbedingungen (Oberflächenmaterialien, Luftwechselraten (Trocknungsgeschwindgkeit), Rückstandsanforderungen) ab. Während einige Wirkstoffe wie Alkohole und Chlorverbindungen eine breite Wirksamkeit aufweisen, sind andere, wie QAVs oder Amphotenside, eher für spezifische Anwendungen geeignet. Wichtig ist auch, die Anweisungen zur Anwendung und Sicherheit genau zu befolgen, um die maximale Wirksamkeit des Desinfektionsmittels zu gewährleisten und gesundheitliche Risiken zu minimieren. In der Praxis kann es sinnvoll sein, verschiedene Wirkstoffe zu kombinieren oder sie in unterschiedlichen Szenarien einzusetzen oder zu rotieren (vgl. Annex 1 des EU GMP Leitfadens), um eine umfassende Desinfektion zu erreichen und Anpassungen bzw. Resistenzbildungen zu vermeiden.