EMA veröffentlicht "Reflection Paper" über den Umgang mit Lieferengpässen durch Herstellungs-/GMP-Compliance-Probleme

Aufgeschreckt durch jüngste Lieferengpässe von Arzneimitteln bedingt durch Herstellungs-/GMP-Compliance-Mängel hat die EMA ein „Reflection Paper" veröffentlicht, das Erfahrungen aus vorangegangenen Lieferengpässen und den Umgang damit erläutert. Weiterhin stellt die EMA kurz- und mittelfristig geplante Maßnahmen im Umgang mit solchen Engpässen im Reflection Paper vor. Gemäß EU-Recht muss sowohl ein Zulassungsinhaber als auch ein Hersteller von Arzneimitteln bei der Gefahr von Lieferengpässen die Behörden informieren.

Aufgrund einer hohen Anzahl an Arzneimittel-Verknappungen hat die FDA Ende letzten Jahres einen Entwurf einer „Interims Rule" herausgegeben, die im Falle solcher Verknappungen durch Hersteller Änderungen zu Meldungen beschreibt. Die EU hat das Problem ebenfalls erkannt und in allen Sitzungen des „Committees for Humans Medicinal Products (CHMP)" thematisiert. So wird z. B. im Concept Papier zu Änderungen des Kapitels 8 im EU-GMP Leitfaden darauf hingewiesen, dass Anforderungen an die Berichtsverfahren bei Lieferengpässen – unabhängig von Qualitätsmängeln – in das Kapitel mit aufgenommen werden sollen.

Ein europäisches Netzwerk soll nun den Nationalstaaten, die mit europaweiten Problemen bei dennoch vorkommenden Liefer-Engpässen mit Arzneimitteln überfordert sein könnten, Hilfestellung in Form eines Risikomanagements geben.

Im „Reflection Paper" werden die Erfahrungen aus vorangegangenen Lieferengpässen und dem Umgang damit erläutert. Die EMA spricht u. a. von einem Dilemma der Regulatoren. Sie meint damit das Belassen eines qualitätsreduzierten aber lebensrettenden Produkts auf dem Markt im Falle von Qualitätsmängeln. In anderen Fällen konnten keine Maßnahmen gegen GMP-Non-Compliance-Probleme ergriffen werden, um einen Lieferengpass zu vermeiden. Globalisierung wird als weitere Gefahrenquelle angesehen. Auch komplexere Herstellungs- und Lieferketten bergen höhere Gefahren. Manche Wirkstoffe für lebensrettende Arzneimittel (z. B. Antibiotika) werden nur noch außerhalb der EU gefertigt. Unsichere politische oder regulatorische Systeme, aber auch die Gefahr von Naturkatastrophen können hier zu Engpässen führen. Der Tsunami in Japan 2011 wird hier als Beispiel für eine Naturkatastrophe mit Einfluss auf die Lieferkette angegeben. Auch der Trend zur Fokussierung auf wenige Standorte, die dann weltweit beliefern, birgt Risiken. Die Risikomanagement-Aktivitäten der Industrie wiederum sind hauptsächlich reaktiv nicht proaktiv, so die EMA. Hier möchte die EMA einen Hebel ansetzen und die Industrie dahin bringen, dass sie Qualitätsrisikomanagement proaktiv betreibt - auch im Hinblick auf Lieferkettenintegrität.

Überlegungen betreffen auch den Umgang mit ggf. notwendigen Importen von unlizensierten Arzneimitteln zur Verhinderung eines Engpasses. Dies führt zu Variations, die umfangreich sein können und so nicht vorgesehen sind. Hier denkt die EMA darüber nach, dies in Zulassungen schon mit in Betracht zu ziehen. Weiterhin spricht sich die EMA für einen besseren internationalen Kontakt der regulierenden Behörden weltweit aus. Auch die Schnittstelle Arzneimittel-Medizinprodukt soll stärker in Betracht gezogen werden. So sind manche Arzneimittel auf ein bestimmtes Medizinprodukt abgestimmt. Auch Monopolisten innerhalb der Lieferketten bergen Risiken, die laut EMA betrachtet werden müssen.

Die EMA wurde in diesem Zusammenhang um das Erstellen von weitergehenden Maßnahmen bei solchen Fällen gebeten. Sie hat daraufhin 10 Kurzzeit- und 3 mittellange terminierte Maßnahmen im Reflection-Paper vorgeschlagen. Zu den kurzfristigen Maßnahmen zählen:

  • Erstellen eines internationalen Katalogs von Produkten mit bekannten Lieferengpässen. Das betrifft zentral zugelassene Produkte (CAPs). Bei  nicht zentral zugelassenen Produkten (non-CAPs) soll die EU koordinierend tätig werden
  • Aufrechterhalten des o.g. Katalogs (unter freiwilliger Einbindung von Zulassungsinhabern, die Lieferengpässe aufgrund Herstellungs-/GMP-Compliance-Probleme haben)
  • Entwicklung eines gleichartigen Verständnisses bezüglich „essentieller" Arzneimittel auf nationaler Ebene und Entwicklung eines Entscheidungsbaumes, welche Lieferengpässe auf EU-Ebene behandelt werden sollten.
  • Klärung, wie der nationale Einfluß im Rahmen der EU-Kommunikation gehandhabt werden kann und wie nationale und EU-weite Maßnahmen abgestimmt  werden können
  • Erstellen einer SOP zum Umgang mit Berichten zu Lieferengpässen aufgrund von Qualitätseinbussen und Herstellungsproblemen und bezüglich der Entscheidung, wo eine Bewertung durch die EU notwendig ist. Die SOP soll die Verkettung von regulatorischen Aspekten, der Pharmakovigilanz, von GMP-Inspektionen, sowie Bewertungs- und Kommunikationsaspekten im Umgang mit unvorhergesehenen Lieferengpässen aufgrund von Problemen in der Herstellungs-Supply Chain darlegen
  • Revision der „Community Procedure" „Procedure for Handling Rapid Alerts Arising From Quality Defects" sowie des Kapitel 8 zum EU-GMP-Leitfaden im Hinblick auf Lieferengpässe durch Herstellungs- und Qualitätsmängel. Angesprochen ist hier die Inspectors Working Group (IWG) für Good Manufacturing and Distribution Practice (GMDP)
  • Sondierung, ob in einer durch Herstellungs- und Qualitätsmängel resultierendem Lieferengpass bedingten "Krisen"-Situation auch der EU Regulatory Network Incident Management Plan for medicines for human use" involviert werden soll
  • Entwicklung von internationalen Kooperationen im Zusammenhang mit dieser Problematik und das Teilen von Informationen über „best practices" bezüglich Risikomanagement und Verhinderungsstrategien
  • Steigerung der Erkennung der Problematik von Arzneimittelengpässen. Organisation eines Workshops unter Beteiligung von Regulierungsbehörden, Industrie, Patienten und Vertretern von Gesundheitsberufen zur Verbesserung von „business continuing planning" der Industrie
  • Umfrage bei nationalen Gesundheitsbehörden bezüglich deren Initiativen im Umgang bzw. der Verhinderung von Lieferengpässen in der Vergangenheit. Die Umfrage soll dann „best practices" aufzeigen und als Basis für eine „Toolbox" dienen, die dann allen nationalen Behörden offen stehen soll
  • Zu den mittelfristig geplanten Maßnahmen gehören:

    • Unterstützung bei der Risiko-Nutzen-Abwägung in Bezug auf Lieferengpässe aufgrund von Produktmängeln
    • Förderung eines besseren proaktiven Risikomanagements durch den Zulassungsinhaber. Das Ziel ist, durch eine Risikoanalyse die Schwächen des Herstellungsprozesses offen zu legen. Abhängig vom Schweregrad der Schwächen soll dann vom Zulassungsinhaber ein "contigency plan" und Vorschläge zur Verbesserung dieser Schwächen eingereicht werden.
    • Entwicklung eines Prozesses, der geeignet ist, den Einfluss und die Konsequenzen von Lieferengpässen auf Patienten (z. B. niedrigere Dosis, Produktwechsel) zu messen 

    Die kurzfristig geplanten Maßnahmen sollen bis zum 4. Quartal 2013 abgeschlossen sein. Die mittelfristig terminierten Maßnahmen sind bis Ende 2015 vorgesehen, wobei die pharmazeutische Industrie insbesondere von dem Concept Paper zu proaktivem Risikomanagement betroffen sein wird. Dieses Concept Paper ist für das 1. Quartal 2014 geplant.

    Fazit: Die EMA nimmt sich sehr ernsthaft des Themas Arzneimittel-Engpäße an. Mit kurzfristig und mittelfristig terminierten Maßnahmen möchte sie bis Ende 2015 Strategien, um mit dem Problem umgehen zu können, erarbeitet haben. Die pharmazeutische Industrie wird insbesondere durch Änderungen im Hinblick auf Lieferengpäße im Kapitel 8 des EU GMP-Leitfadens betroffen sein. Ferner sind an sie die geplanten Forderungen zu einem proaktiven Risikomanagement, den Zulassungsinhaber betreffend, adressiert.

    Auf der EMA-Website finden sie das Reflection Paper und den Zeitplan der geplanten Umsetzungsfristen

    Zusammengestellt von
    Sven Pommeranz
    CONCEPT HEIDELBERG

    Zurück zur Newsübersicht

    Kontakt

    Kontaktieren Sie uns

    Haben Sie Fragen?

    Concept Heidelberg GmbH
    Rischerstraße 8
    69123 Heidelberg

    Tel. :+49622184440
    Fax : +49 6221 84 44 84
    E-Mail: info@concept-heidelberg.de

    zum Kontaktformular

    NEWSLETTER

    Bleiben Sie informiert mit dem GMP Newsletter von Concept Heidelberg!

    GMP Newsletter

    Concept Heidelberg bietet verschieden GMP Newsletter die Sie auf Ihren Bedarf hin zusammenstellen können.

    Hier können Sie sich kostenfrei registrieren.