EU-Kommission veröffentlicht neue GDP Guideline

Die in Artikel 84 der Direktive 2001/83/EG geforderte GDP Guideline (Dokument 94/C 63/03) wurde erstmals 1994 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und seitdem nicht mehr geändert. Aufgrund der allgemeinen Fortschritte in der Praxis der Lagerhaltung und des Vetriebs und vor allem aufgrund der neuen Direktive 2011/62/EU zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen, die die Erstellung von Guidelines zur Guten Vertriebspraxis vorsieht, bestand nun die dringende Notwendigkeit, die Leitlinien von 1994 zu revidieren.

Am 15. Juli 2011 veröffentlichte die EU-Kommission auf ihrer Webseite einen Leitlinien-Entwurf zur Guten Vertriebspraxis zur öffentlichen Konsultation. Die Frist zur Einreichung von Kommentaren endet am 31. Dezember 2011.

Die revidierten Leitlinien sind wesentlich umfassender. In insgesamt 10 Kapiteln wird ein differenzierter Pflichtenkatalog für Arzneimittel-Großhandelsbetriebe und Zwischenhändler bzw. Makler aufgestellt. Folgende Regelungen weichen von der bislang gültigen Leitlinie 94/C 63/03 ab bzw. sind neu:

Kapitel 1 - Qualitätsmanagement
Es werden umfangreiche Forderungen nach einem Qualitätsmanagementsystem formuliert. Ferner werden Regeln zum Management ausgelagerter Aktivitäten, zum Risikomanagement und zum Review durch das Senior Management aufgestellt.

Kapitel 2 - Personnel
Hier werden die Aufgaben und Pflichten der Verantwortlichen Person und weiterem Schlüsselpersonal geregelt. Des weiteren findet man in diesem Kapitel Vorschriften zu Personalschulung und Hygiene.

Kapitel 3 - Gebäude und Ausrüstung
Die Vorschriften zur Handhabung von Materialien sind wesentlich differenzierter und schließen den Umgang mit kritischen Produkten wie radioaktiven Materialien oder leicht brennbaren Stoffen mit ein. Weitere Themen in diesem Kapitel sind: Temperatur- und Umgebungskontrolle, Ausrüstung, Computersysteme und Qualifizierung/Validierung. Die beiden letzten Themen fehlen in der bislang gültigen Leitlinie völlig.

Kapitel 4 - Dokumentation
Anstelle von 2 Sätzen in der Leitlinie 94/C 63/03 nehmen die Regeln zur Dokumentation im neuen Leitlinienentwurf eine ganze Seite ein. Unter anderem wird die Pflicht zur Unterschrift auf Dokumenten, zur Archivierung für mindestens 5 Jahre sowie zur Präsenz eines SOP-Systems festgeschrieben.

Kapitel 5 - Betrieb
Dieses Kapitel enthält genauere Vorschriften zur Qualifizierung von Lieferanten und Kunden, zur Lagerung, Absonderung und Vernichtung von Waren. Unter anderem wird das "FIFO"-Prinzip ("first in first out") durch "FEFO" ("first expired first out") ersetzt, was ohnehin schon gängige Praxis ist.

Kapitel 6 - Reklamationen, Retouren, mutmaßlich gefälschte Arzneimittel und Arzneimitell-Rückrufe
Einen Absatz zur Informationspflicht des Händlers, wenn er gefälschte Arzneimittel entdeckt, findet man schon in der Leitlinie von 1994. Neu in der revidierten Leitlinie ist die Verpflichtung des Händlers, "die Aufmerksamkeit seines Personals hinsichtlich des Risikos des Eindringens von gefälschten Arzneimitteln in die Lieferkette zu erhöhen." Hinter dieser umständlichen und indirekten Formulierung steckt einfach die Aufforderung zu einer entsprechenden Schulung des Personals. 

Kapitel 7 - Auftragsvergabe
Dieses Thema wurde in der bisherigen Leitlinie nicht angesprochen und wird im neuen Dokument geregelt.

Kapitel 8 - Selbstinspektionen
Es wird die Einrichtung eines Selbstinspektionsprogramms gefordert. Ebenfalls neu ist, dass Audits im Rahmen dieses Programms auch von einer unabhängigen Drittorganisation durchgeführt werden können.

Kapitel 9 - Transport
Dieses Kapitel enthält sehr detaillierte Bestimmungen und einige Neuerungen. Z.B. dürfen in einem Distributionszentrum die Waren maximal 24 Stunden lagern. Falls nach Ablauf dieser Frist kein Weitertransport erfolgt, gilt der entsprechende Raum als reguläres Lager und benötigt eine Großhandels-Betriebserlaubnis.

Kapitel 10 - Besondere Vorschriften für Makler
Die Makler (Broker) wurden in der bisherigen Leitlinie nicht angesprochen. Der neue Leitlinienentwurf enthält eine Klarstellung in Bezug auf die Tätigkeit des Maklers. Da er die Waren, die er an- und verkauft, nicht physisch handhabt, gelten die gebäudetechnischen Vorschriften nicht für ihn. Er muss jedoch ein Qualitätsmanagement unterhalten und ist verantwortlich für die adäquate Schulung seines Personals - auch im Hinblick auf das Problem der Arzneimittelfälschungen. Dieses Kapitel enthält auch eine Liste von SOPs, nach denen ein Zwischenhändler auf jeden Fall arbeiten muss.

Die Anforderungen der neuen GDP-Leitlinie sind umfassend und gehen zum Teil weit über diejenigen der bisher gültigen, meist sehr allgemein formulierten Vorschriften für Großhandelsbetriebe hinaus. Sie sind jedoch vor allem eine Konsequenz aus den Forderungen der neuen Arzneimittelfälschungs-Direktive.

Lesen Sie auch den Entwurf der neuen GDP-Leitlinien sowie das derzeit noch gültige Regelwerk 94/C 63/03.

Autor
Dr. Gerhard Becker
CONCEPT HEIDELBERG

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