Fragen und Antworten der EMA zur Flexibilität bei Herstellungsbedingungen
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11./12. Februar 2025
Entwicklung, Herstellung, Prüfung, Freigabe und Distribution
Die europäische Arzneimittelagentur EMA veröffentlichte am 13. Juli 2017 Fragen und Antworten zum "verbesserten Verständnis für NORS, PARS, DSp und normale Schwankungen von Prozessparametern". Das vierseitige Dokument enthält die folgenden fünf Q&As:
- Was ist der normale Betriebsbereich (Normal Operating Range = NOR) und wie sollten NORs im Zulassungsdossier dargelegt werden?
NOR (kein feststehender ICH-Begriff) beschreibt einen Bereich um die angestrebten (Ziel-) Betriebsbedingungen, welcher die üblichen Betriebsschwankungen (also Schwankungen, die nicht immer gesteuert werden können) umfasst. NORs alleine sind nicht dafür vorgesehen, Flexibilität in die Herstellungsbedingungen zu bringen. Sie können jedoch die tatsächlichen unkontrollierbaren Betriebsschwankungen von Prozessparametern besser quantifizieren und sollten daher im Zulassungsdossier angegeben werden.
- Was ist der erwiesene akzeptable Bereich (Proven Acceptable Range = PAR) und wie sollten PARs begründet und im Zulassungsdossier dargelegt werden?
Der PAR ist definiert als "charakterisierter Bereich eines Prozessparameters, in welchem - wenn alle anderen Parameter konstant bleiben - ein Material hergestellt wird, welches die relevanten Qualitätskriterien erfüllt" (ICH Q8). PARs könnten in der Beschreibung des Herstellungsprozesses eines Wirkstoffes und/oder eines Arzneimittels (in S.2.2 bzw. P.3.3 des Moduls 3) als Bereiche angegeben werden. Das Bewegen innerhalb des zugelassenen PARs wird nicht als Änderung gewertet. Änderungen am Zielwert innerhalb des registrierten PARs können über das firmeninterne Pharmazeutische Qualitätssystem (Pharmaceutical Quality System = PQS) ohne behördliche Maßnahmen durchgeführt werden. Die Bewegung außerhalb des PARs wird als Änderung angesehen und bedarf daher eines regulatorischen Post-Approval Change-Prozesses. In Fällen, in denen Wechselwirkungseffekte zwischen verschiedenen Parametern auftreten und der akzeptable Bereich für einen Prozessparameter von der Einstellung eines anderen Parameters abhängig ist, sollten diese Parameter im Design Space (siehe unten) angegeben werden.
Überlegungen für die Entwicklung (S.2.6/P.2.3 des Moduls 3): Einige PARs können als Teil der Untersuchungen zum Prozessverständnis und der Prozessentwicklung dargelegt werden.
- Was ist ein Design Space (= DSp) und wie sollten DSps begründet und im Zulassungsdossier dargelegt werden?
Der DSp ist definiert durch "multidimensionale Kombination und Interaktion von Input-Variablen (z.B. Materialeigenschaften) und Prozessparametern, welche erwiesenermaßen für die Sicherstellung der Qualität sorgen". Das Operieren innerhalb des zugelassenen DSp wird nicht als Änderung gewertet. Bewegung außerhalb des DSp wird als Änderung angesehen und bedarf daher normalerweise eines regulatorischen Post-Approval-Change-Prozesses. Der DSp wird vom Antragsteller vorgeschlagen und ist Gegenstand behördlicher Beurteilung und Genehmigung (ICH Q8).
Ein DSp kann z.B. durch Angabe der Bereiche für die Prozessparameter, für die Eigenschaften des Eingangs-Materials oder für die Kombination aus Prozessparametern und Materialeigenschaften definiert sein. Die Begründung für einen DSp sollte bei der Entwicklung des Herstellungsprozesses für einen Wirkstoff und/oder ein Arzneimittel (in S.2.2 bzw. P.3.3 des Moduls 3) dargelegt werden. Hinsichtlich der erforderlichen Detailtiefe sollte Folgendes berücksichtigt werden:
• Bildet der DSp Parameterbereiche ab, die wesentlich breiter sind, als Bereiche, die normalerweise als NORs akzeptiert werden würden?
• Birgt ein bestimmter Bereich des DSp ein größeres Qualitätsrisiko als der Rest des DSps?
• Im welchem Umfang tragen andere Elemente der Kontrollstrategie zur Sicherung der Output-Materialqualität bei?
Beispiele hierfür sind In-Prozesskontrollen, PAT-Analysen sowie nachgelagerte Prozesse und Kontrollen. Wenn angegeben wird, dass kein Zusammenhang zwischen (Prozess-)Parametern besteht, so muss dies angemessen nachgewiesen werden. Zusätzlich sollte die Entwicklung eines DSps auf den Grundsätzen des Risikomanagements beruhen (ICH Q9).
- Wie sollten Änderungen an einem zugelassenen DSp gehandhabt werden?
Eine Erweiterung (also die Einführung neuer Materialeigenschaften oder Prozessparameter oder die Erweiterung des Bereiches von bestehenden Materialeigenschaften oder kritischen Prozessparametern) eines DSps sollte als Typ-II-Änderung (B.I.e.1 oder B.II.g.1) eingereicht werden.
Falls die Änderung bereits in einem genehmigten Post-Approval-Change-Management Protocol (= PACMP) beschrieben wurde, kann die Änderung, je nachdem, was vereinbart wurde, entweder als Typ IA- oder IB-Mitteilung eingereicht werden (B.I.e.5 oder B.II.g.5). Laut der Änderungsklassifizierungsleitlinie sind im PACMP vorgesehene Änderungen an einem biologischen/immunologischen Arzneimittel vom Typ IB.
Einschränkungen an einem zugelassenen DSp sind typischerweise nur dann notwendig, wenn festgestellt wird, dass ein Teil des DSp nicht die zufriedenstellende Materialqualität produziert. Wesentliche Änderungen an einem Prozess, die einen grundlegenden Einfluss auf die Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Produktes haben können, sollten als Typ-II-Änderung eingereicht werden (B.I.a.2.b oder B.II.b.3.b). Einige Änderungen an Spezifikationen oder Prozessparametern können auch dann relevant für den DSp sein, wenn der DSp diese Parameter nicht ausdrücklich abdeckt. Solche Änderungen sollten gemäß der Änderungsklassifizierungsleitlinie betrachtet werden, wonach, abhängig von der Art der Änderung und des Produktes, einige als Typ IA- und andere als Typ IB-Mitteilungen möglich sind. Die Änderungskategorien in Bezug auf Produktionsstätten gelten unabhängig davon, ob ein DSp eingereicht wurde oder nicht. Die Gültigkeit jedes zugelassenen DSps bei einer Änderung der Produktionsstätte sollte in jedem Fall geprüft werden.
- Welche Arten von Prozessflexibilität im Zulassungsdossier sind akzeptabel, unabhängig von NOR, PAR oder DSp?
Die EMA sagt, dass das Maß der Prozessflexibilität davon abhängig sei, wie der Herstellungsprozess und seine Entwicklung im Zulassungsdossier dargestellt werden. Unabhängig vom Entwicklungsansatz gelten die gleichen Anforderungen an die Detailtiefe in der Herstellungsprozessbeschreibung. Die Schritte des Prozesses sollten die nötigen Details hinsichtlich der angemessenen Prozessparameter beinhalten, zusammen mit ihren Zielwerten oder -bereichen.
Die Etablierung eines DSp ist optional. Wenn jedoch ein flexibler Herstellungsprozess beantragt wurde (das heißt, Bereiche der Prozessparameter sind größer als sie in einem NOR akzeptiert werden würden; die Variabilität der Eingangs-Materialeigenschaften könnte die Qualität des Prozessergebnisses beeinflussen), sollte der Prozess im Rahmen eines DSp festgelegt werden (siehe auch Frage 3). Laut der EMA wird die Prozessbeschreibung als ein Bestandteil der allgemeinen Kontrollstrategie angesehen, welche in einem Antrag dargelegt wird. Ein einseitiger Parameterbereich (beispielsweise nur die Limitierung des oberen Bereichs) bedeutet typischerweise eine große Flexibilität und muss durch eine wissenschaftliche Begründung untermauert werden.
Lesen Sie mehr im Q&A-Dokument "Improving the understanding of NORs, PARs, DSp and normal variability of process parameters" und in der Leitlinie zur Herstellung fertiger Darreichungsformen der EMA. Weitere Informationen zu diesen Themen, auch in Bezug auf analytische Verfahren, werden mit der Veröffentlichung des kommenden ICH Q12-Entwurfs über "Technical and Regulatory Considerations for Pharmaceutical Product Lifecycle Management" erwartet.