GMP: Gibt es geplante Abweichungen?

Eine Diskussion, die wir immer wieder auf Seminaren führen, ist die Frage nach geplanten Abweichungen. Um es kurz zu machen: im GMP-Bereich sollte nichts als Abweichung deklariert werden, was vorher geplant wurde. Dies ist nämlich eine Änderung (Change). Eine Abweichung kommt ungeplant.

Aber wo kommt die Begrifflichkeit her?

Diese gab es meist schon vor vielen Jahren in den Unternehmen, ohne irgendwo offiziell definiert gewesen zu sein. Erstmals in einem Dokument aufgegriffen wurde der Begriff der "planned deviation" dann in einen Papier der EMA. Im März 2006 hatte die EMA (damals hieß sie noch EMEA) das "Reflection Paper on a proposed solution for dealing with minor deviations from the detail described in the Marketing Authorisation" veröffentlicht. Ziel war es, die Erwartungen der EMEA zu reflektieren, ob eine Charge unter den beschriebenen Umständen trotz aufgetretener Abweichungen freigegeben werden kann. 2009 gab es ein Update, in diesem wurde dann erstmals der Begriff "planned deviations" in einem offiziellen Dokument erwähnt. Ansicht damals war, dass diese "geplanten Abweichungen" durch das Qualitätssystem kontrolliert werden müssen und daher nicht durch das Reflection Paper abgedeckt wurden. Im Jahre 2015 wurde dann der umfassend überarbeitete Anhang 16 zum EU-GMP Leitfaden (Zertifizierung durch eine sachkundige Person und Chargenfreigabe) veröffentlicht, welcher 2016 in Kraft trat. Der neue Anhang verdeutlicht die Rolle der QP in Bezug auf Abweichungen und führte einige Punkte des o.g. EMA-Positionspapiers zur QP Discretion ein. Dieses wurde daraufhin zurückgezogen mitsamt der Begrifflichkeit der geplanten Abweichung. Weiterhin findet sich der Terminus allerdings noch in dem von der EMA veröffentlichten Q&A Nr. 3 zu Anhang (Annex) 16.

Leider kann der derzeit aktuelle Anhang 16 zum EU-GMP Leitfaden auch noch etwas Unklarheit stiften. Absatz drei heißt nämlich "Umgang mit unerwarteten Abweichungen" (Handling of unexpected deviations) und könnte zumindest implizieren, dass es somit auch erwartete Abweichungen gibt. Dem ist aber nicht so. Im nachfolgenden Absatz wird auch nur auf diese ungeplanten Abweichungen eingegangen. Im oben bereits erwähnten Q&A Nr. 3 zu Anhang (Annex) 16 heißt es hierzu, dass nur eine Abweichung unerwartet ist, bis sie entdeckt wurde. Eine wiederholt auftretende Abweichung ist nicht mehr unerwartet.

Immer mehr Regulierungsbehörden fordern mittlerweile, von der Nomenklatur einer geplanten Abweichung abzusehen.

Und was ist es denn jetzt?

In der Zwischenzeit sind viele Unternehmen dazu übergegangen, die Begrifflichkeit zu ersetzten. Beispiel sind hier "zeitlich begrenzte Änderung" oder "temporäre Änderung" (temporary change). Diese temporären Änderungen sind vorab genehmigte, kurzfristige Änderungen zu einem in einem aktuellen Vorgabedokument festgelegten Prozess oder an einem System/ Betriebsmittel; also Änderungen, die einen bestimmten Zeitraum oder eine bestimmte Anzahl von Chargen betreffen und nicht von Dauer sind.
Noch wichtiger als die reine Semantik sind natürlich die Abläufe dahinter. Egal wie der Vorgang einer kurzfristigen Änderung an einem Prozess auch genannt wird, entscheidend ist, dass das Vorgehen klar festgelegt ist und keine Änderungen unter dem Radar von Abweichungs- und Change-Management zulässt. Es bedarf auch hier einer Bewertung idealerweise mit Risikoanalyse, einer Genehmigung, einer Einleitung von korrektiven Maßnahmen, und bei Bedarf einer rechtzeitigen Einleitung einer dauerhaften Änderung, z.B. auch in Form einer Variation. Generell sollte es temporäre Änderungen nicht zu oft geben. Zu viele temporäre Änderungen weisen auf  Probleme bei der Prozesssteuerung und -stabilität hin.

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