ISPE Guide bildet Brückenfunktion für eine traditionelle Qualifizierung zu einer risiko- und wissensbasierten Qualifizierung
In unserer GMP-News vom 17. September 2012 gingen wir auf das ISPE Mapping Document ein, das Beziehungen zu anderen ISPE-Leitlinien, das Thema Qualifizierung betreffend, aufzeigt. Eine dieser ISPE-Leitlinien, der ISPE Good Practice Guide "Applied Risk Management for Commissioning and Qualification", dient dabei als Brücke, um traditionelle Qualifizierungs-Vorgehensweisen, gemäß ISPE Baseline Nr. 5 "Commissioning and Qualification" (C&G), mit einem modernen wissenschafts- und risikobasierten Qualifizierungs-Ansatz zu verbinden.
Das Dokument ist mit insgesamt 136 Seiten sehr umfangreich. Gegliedert ist es in 13 Kapitel u.a. mit 6 Appendices:
1 Einführung
2. Grundlagen des angewandten Risikomanagements zur Kommissionierung und Qualifizierung
3. Betrieb und kontinuierliche Verbesserung
4. Unterstützende Praktiken
5. Qualitätsrisikomanagement
6. Kostenkontrolle und Prozessleistungsfähigkeit
7. Betrachtung/Anwendung bei "speziellen" Produktionsstätten
8. Appendix 1 - Entwicklung geeigneter Nutzeranforderungen ("user requirements")
9. Appendix 2 - C&Q Pläne
10. Appendix 3 - Organisationsmodelle zur Umsetzung
11. Appendix 4 - Kommissionierung
12. Appendix 5 - Referenzen
13. Appendix 6 - Glossar
In der Einführung wird auf die "neuen" Sichtweisen hinsichtlich Räumlichkeiten, Systemen und der Ausrüstung hingewiesen. Ziel ist die "Geeignetheit" ("suitable for intended use") nachzuweisen und das mittels einer wissenschafts- und risikobasierte Betrachtungsweise. Und hier soll der Guide helfen, eine Brücke von der traditionellen Kommissionierung und Qualifizierung (Commissioning and Qualification, C&Q) zu einer wissenschafts- und risikobasierte Betrachtungsweise zu bilden. Eine Grafik im Guide verdeutlicht dies. So fließen sowohl die US, EU und Japanische GMP-Regelwerke über ICH Q9 in den ASTM Guide E2500 ein. ASTM E2500 hat wiederum direkten Einfluss auf diesen Good Practice Guide. Weitere Einflüsse haben die ISPE Baseline Nr. 5 (C&Q) der ISPE FSE Guide und der GAMP Guide. Der "Applied Risk Management for Commissioning and Qualification" Guide wird also direkt von 4 weiteren Leitlinien beeinflusst.
Die Hauptziele des Guides sind:
- einen Fahrplan zu liefern für Möglichkeiten zu Strategien zum Übergang von traditionellen Qualifizierungs-Praktiken zu einer wissenschafts- und risikobasierte Qualifizierungs-Betrachtungsweise
- eine Verbindung zwischen der traditionellen Qualifizierung (z. B. ISPE Baseline Nr. 5) zu Verifizierungs-Ansätzen und deren Terminologie (z. B. ISPE FSE Guide , ASTM E2500) herzustellen
- Beschreibung von praktischen Methoden zum angewandten Qualitätsrisikomanagement im Hinblick auf Räumlichkeiten, Systeme und der Ausrüstung, auch im Hinblick auf Kosten- und Zeitreduzierungen und den Einflüssen auf die Organisation durch den Wechsel hin zur wissenschafts- und risikobasierte Qualifizierungs-Betrachtungsweise
Als mögliche Schritte, über die "Brücke" zu gehen nennt der Guide
- Die Einführung von Guter Ingenieurs-Praxis (Good Engineering Practice, GEP)
- Eine Neuausrichtung ("re-focus") der Qualitätssicherung
- Etablierung eines Qualitätsrisikomanagements als Basis für den Umfang von Verifizierungs-Aktivitäten
- eine strukturierte, flexibel an den Projektfortschritt anpassbare Verifizierungsdokumentation anstatt einer, die strikte Projektausführung vorschreibt
- Etablierung eines geeigneten Projekt-Change-Management-Prozesses, entsprechend der Projekt-Ausführung
- Einführung eines "Subject Matter Expert" (SME) Konzepts
- wirksamer Einsatz der Verifizierungsergebnisse unterschiedlicher Aktivitäten (z. B. Design Reviews, Kommissionierung, Qualifizierung) zur Unterstützung der Bewertung hinsichtlich "Geeignetheit"
Die Anwendbarkeit des Guides wird als sehr breit angesehen, angesprochen sind Wirkstoffe, Arzneimittel, Biopharmazeutika. Anwendbar könnte er auch auf Medizinprodukte oder im Blutbereich sein. Er richtet sich an neue Gerätschaften/Räume oder er kann im Rahmen von Änderungen/Modifikationen von Gerätschaften/Räumen angewendet werden. Er deckt keine Aktivitäten im Rahmen von Produkt-Entwicklungen ab (wegen fehlendem Prozessverständnis) und natürlich keine Non-GMP-Aspekte (Umweltschutz, Sicherheit...).
Schlüsselkonzepte sind:
- wissenschaftsbasiertes Qualitätsrisikomanagement
- Produkt- und Prozessverständnis als Basis
- Fokus auf das Erreichen von "suitable for intended use"
- flexible Risikomanagement- und Qualifizierungs-Ansätze
- Fokus ausschließlich auf wertschöpfende Aktivitäten
- klare Rollen und Verantwortlichkeiten, damit jede beteiligte Partei auch ihre Expertise einbringen kann und nicht für andere Bereiche einspringen muss
Dezidiert wird in den Kapiteln 2-6 dann auf das Thema Qualitätsrisikomanagement in Theorie und Praxis bezüglich Kommissionierung und Qualifizierung eingegangen und auch Aspekte der Kostenkontrolle angesprochen. Explizit geht der Guide auf die (neuen) Rollen und Verantwortlichkeiten der Qualitätssicherung und von "Subject Matter Experts" ein. Das letzte Kapitel richtet sich an spezielle Firmen, die häufig noch keine fest definierten Prozesse haben, wie z. B. F&E-Labors, Pilot-Standorte, Klinikmusterhersteller usw. Im Anschluss ergänzen noch 6 Appendices (Entwicklung geeigneter Nutzeranforderungen, C&Q-Pläne, Organisationsmodelle zur Umsetzung, Kommissionierung, Referenzen, Glossar) die vorhergehenden Kapitel mit hilfreichen Tabellen.
Fazit. Der Guide ist mit 136 Seiten sehr umfangreich. Er liest sich nicht einfach. Teilweise erscheinen die Inhalte etwas abstrakt. Hilfreicher wird er dann, wenn er konkret Themen anspricht, wie z. B. über Tabellen in den einzelnen Kapiteln und Appendices.
Leider ist der Guide kostenpflichtig. Sie können den Guide hier bestellen.
Eine ausführliche Zusammenfassung - auch der einzelnen Kapitel - können Sie im nächsten GMP-Journal lesen.
Autor:
Sven Pommeranz
CONCEPT HEIDELBERG
PS. In der Veranstaltung QV 10 Praxiskurs Der Qualifizierungs-Workshop, 23./24.10.12, in Heidelberg, gehen wir in Workshops explizit auf neue Qualifizierunskonzepte ein.