ISPE veröffentlich revisionierte Leitlinie zu "Commisioning and Qualification"
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4./5. Dezember 2024
Seit 2001 gibt es die ISPE Baseline Nummer 5 zur Kommissionierung und Qualifizierung (Commissioning and Qualification). Aufgrund dieses langen Zeitraums war das Dokument nicht mehr ganz aktuell. Neuere Entwicklungen, z. B. hin zu einem Lebenszyklus-Modell, waren nicht abgebildet. Anpassungen an den Stand der Technik erfolgten in der Vergangenheit mittels "Brückendokumenten". Nun erfolgte aber eine komplette Revision.
Das Dokument ist mit insgesamt 207 Seiten sehr umfangreich. Dabei enthält die Baseline selbst "nur" 111 Seiten. Die restlichen Seiten umfassen 17 Anhänge mit Bezügen zu den Regelwerken, Musterdokumenten, Referenzen und einem Glossar. Anhang 15 beschreibt den Umgang mit Altgeräten. Die Baseline selbst gliedert sich in 14 Kapitel:
1. Einführung
2. Nutzeranforderungen
3. Systemklassifizierung
4. System-Risikoanalyse
5. Design-Review und -Qualifizierung
6. Planung von Kommissionierung und Qualifizierung
7. Tests und Dokumentation im Rahmen der Kommissionierung und Qualifizierung
8. Akzeptanz und Freigabe
9. Periodische Betrachtung
10. Lieferantenbewertung für Kommissionierung und Qualifizierung-Zwecke
11. Qualitätsprozess "Engineering"
12. Änderungs-Management
13. Gute Dokumentationspraxis für Kommissionierung und Qualifizierung
14. Strategien zur Implementierung eine Wissens- und risikobezogenen Kommissionierung und Qualifizierungs-Prozesses
Ziel und Zweck der Baseline
Ziel und Zeck der Baseline ist es, einen integrierten Kommissionierungs- und Qualifizierungs-Ansatz vorzustellen, der "compliant" zu den Regelwerken ist und es ermöglicht den Qualifizierungsprozess effizient und kostengünstiger durchzuführen. Die Kapitel 2-9 beschreiben diesen Prozess. Der Ansatz umfasst eine System-Risiko-Bewertung, die kritische Aspekte (Critical Aspects, CAs) und/oder kritische Design-Elemente (Critical Design Elements, CDEs) identifiziert. Die CDEs sind Systemfunktionen oder -eigenschaften, die Einfluss auf die Produktqualität und damit auch auf die Patientensicherheit haben. Die Baseline ist anwendbar auf Human- und Veterinär-Arzneimittel und den Arzneimittelanteil bei Kombinationsprodukten. Medizinprodukte hingegen sind nicht im Fokus der Baseline.
Die Nutzeranforderungen
Der integrierte Kommissionierungs- und Qualifizierungs-Ansatz beginnt mit der Entwicklung von Nutzeranforderungen. Sie werden basierend auf Produktrisiken, kritischen Qualitätsattributen (CQAs) und kritischen Qualitätsparametern (CPPs) sowie regulatorischen und firmeninternen Vorgaben erstellt. Ggf. können auch Gesundheits und Sicherheitsaspekte einfließen. Diese Nutzeranforderungen müssen erfüllt sein, damit das System für seinen Zweck geeignet ist ("suitable for intended purpose").
Die Systemklassifizierung
Danach erfolgt die Systemklassifizierung. In Abhängigkeit vom Einfluss des Systems auf die Produktqualität kann ein System direkten Einfluss (direct impact system) oder keinen Einfluss (not direct impact system) auf die Produktqualität haben. Direct impact systems werden kommissioniert und qualifiziert. Not direct impact systems nur kommissioniert. In der Baseline bezieht sich Kommissionierung allerdings nicht nur auf die Inbetriebnahme, sondern wird ggf. auch auf die Konstruktion der Systeme ausgedehnt (z. B. FAT, s.u.).
Systemrisikoanalyse
Im Rahmen der Systemrisikoanalyse wird dann ein direct impact system einer Risikobewertung unterzogen, in der der Einfluss des Systems auf die Produktqualität bewertet wird und die CDEs identifiziert werden. An dieser Risikobewertung sollen Fach-Experten ("Subject Matter Experts", SMEs) teilnehmen, die die "Wissenschaft" hinter dem Herstellungs-Prozess verstehen, der auf dem System laufen soll. Die CDEs werden dann identifiziert, indem die CPPs betrachtet werden, die kontrolliert werden müssen, um Produktqualität zu gewährleisten. Die CPPs basieren wiederum auf den CQAs. Unakzeptable Risiken sind im Rahmen einer Risikosteuerung zu reduzieren, einschließlich CDEs. Die CAs des Prozesses können von den CPPs abgeleitet werden, und die CDEs des Systems wiederum können basierend auf CAs identifiziert werden. Das liest sich kompliziert, deshalb ist der Bezug zwischen CQAs, CPPs, CAs, CDEs und die entsprechenden Tests an einem anschaulichen Beispiel in der Baseline illustriert.
Planung der Kommissionierung und Qualifizierung und Design-Prozess
Es folgt die Planung der Kommissionierung und Qualifizierung, die durchaus parallel zum Design Prozess erfolgen kann. Allerdings müssen ausreichend Design-Informationen vorliegen. Als iterativer Prozess in der Design-Phase wird ein Design-Review durchgeführt, um sicher zu stellen, dass alle Nutzeranforderungen und CDEs im Design abgebildet werden. Design-Aspekte, die Einfluss auf die Produktqualität haben, werden in der Design-Qualifizierung (DQ) für die "direct impact systems" bestätigt. Die Qualitätseinheit gibt die Design-Qualifizierung frei. Nach der Fertigstellung des Design-Reviews und der DQ kann dann auch der Kommissionierungs- und Qualifizierungs-Plan finalisiert werden.
Tests und Dokumentation der Kommissionierung
Die Tests zur Kommissionierung und Qualifizierung sollten zu dem frühest möglichen Zeitpunkt beginnen. Natürlich müssen entsprechend Voraussetzung vorhanden und die Tests zu so einem frühen Zeitpunkt sinnvoll sein. Das bedeutet, es kann damit schon begonnen werden, bevor die Konstruktion komplett abgeschlossen ist. Die Tests umfassen auch die Kontrolle von Dokumenten. In der Kommissionierungs- und Qualifizierungs-Planung werden auch Tests adressiert, die im Rahmen der Qualifizierung genutzt werden. Genannt sind Abnahmetest beim Hersteller (Factory Acceptance Tests, FAT) und Inbetriebnahmetests (Site Acceptance Tests, SAT).
Akzeptanz und Freigabe
Nach dem Abschluss der Tests erfolgt dann deren Akzeptanz und die Freigabe. Die Freigabe bestätigt, dass das System für den Verwendungszweck geeignet ist. Daran anschließend kann die Prozessvalidierung bzw. Routineherstellung beginnen. Betrachtungen zur Prozessvalidierung oder Process Performance Qualification (PPQ) sind jedoch nicht Bestandteil der Baseline.
Periodische Betrachtung des Systems
Das Aufrechterhalten des Kommissionierungs - und Qualifizierungszustandes nach der Freigabe und auch während des Routinebetriebs erfolgt durch verschiedene Systeme (wie Änderungs-Management, Kalibrierung und Wartung). Des Weiteren ist dafür auch eine periodische Betrachtung des Systems erforderliche (Periodic Review).
Unterstützende Prozesse
Unterstützende Prozesse des eigentlichen, integrierten Kommissionierungs- und Qualifizierungs-Prozesses sind in den Kapiteln 10-13 beschrieben. Die Musterbeispiele in den Anhängen dienen zusätzlich als Anschauungsmaterial zu einer möglichen Umsetzung.
Informationen zur Revision
Mit der Revision der ursprünglichen ISPE Baseline Nr. 5, Version 1, zur Kommissionierung und Qualifizierung sind die neueren regulatorischen Vorgaben der EMA, FDA, ICH mit eingeflossen. Durch die Revision entfallen natürlich die erste Version der Baseline Nr. 5 selbst, aber auch folgende ISPE Leitlinien: Science and Risk-Based Approach for the Delivery of Facilities, Systems and Qualification und Applied Risk Management for Commissioning and Qualification sind nun zurückgezogen. Auch Begriffe aus der Version 1, wie z. B. "Component Criticality Assessment" (ersetzt durch CDEs), "Enhanced Design Review" (ersetzt durch Design Review das zur DQ führt) und das "Indirect Impacts System" sind in der Version 2 nicht mehr enthalten. Explizit wird auch auf die verschiedenen Rollen bei der Freigabe der diversen Dokumente eingegangen. Insbesondere die Qualitäts-Einheit sollte eine "Oversight" haben. Eingebunden werden sollte sie bei der Freigabe von Testplänen und -Dokumenten für "direct impact systems" und bei der Akzeptanz und Freigabe-Dokumentation. Eine große Bedeutung kommt den SMEs in der Baseline zu. Beispielhaft gibt eine Dokumenten-Freigabe-Matrix im Kapitel 6 Vorschläge bzgl. der zu leistenden Unterschriften auf diversen Kommissionierungs und Qualifizierungsdokumenten.
Die revisionierte Baseline Nr. 5 zur Kommissionierung und Qualifizierung ist seit Juni 2019 bei der ISPE erhältlich. Sie ist allerdings kostenpflichtig.
ECA Good Practice Guide Integrated Qualification and Validation
Die ECA hatte letztes Jahr eine Modern Qualification Guide - a guide to effective qualification based on Customer -Supplier Partnership veröffentlicht. Das Feedback auf diesen Guide fließt derzeit in eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Guides ein. Der neue ECA Good Practice Guide Integrated Qualification and Validation wird am 8./9. Oktober 2019 in Berlin vorgestellt werden. Im Rahmen dieser Vorstellung wird auch auf Vergleiche/Unterschiede zum ISPE Kommissionierung und Qualifizierung Version 2 eingegangen.