Management und Prüfung von biologischen Rohmaterialien - das EBE-Konzeptpapier
Seminarempfehlung
22./23. Januar 2025
Pflichten, Aufgaben und Verantwortlichkeiten bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen
Während für chemisch synthetisierte Wirkstoffe und deren Ausgangsmaterialien schon seit vielen Jahren Vorgaben für die GMP-konforme Herstellung existieren, sucht man für biologische/biotechnologische Rohmaterialien vergeblich nach offiziell verbindlichen GMP-Leitlinien. Dabei ist die Sicherstellung der Qualität biologischer/biotechnologischer Arzneimittel ohne sorgfältige Prüfung und Risikoabwägung der Ausgangsmaterialien nicht zu gewährleisten.
Diese Lücke schließt das Konzeptpapier des Verbandes der europäischen Hersteller von Biopharmazeutika, EBE (European Biopharmaceutical enterprises). Dieses Dokument mit dem Titel "Management and Control of Raw Materials Used in the Manufacture of Biological Medicinal Products" wurde vor knapp einem Jahr auf der Webseite der EBE veröffentlicht. Es beschreibt die Grundlagen einer risikobasierten Kontrollstrategie für Rohmaterialien als Teil des Risikomanagements beim Herstellungsprozess biologischer/biotechnologischer Arzneimittel. Das Dokument enthält eine Reihe von Beispielen zur Anwendung von Kontrollstrategien für verschiedene Rohmaterialien und trägt damit der Vielfalt von biologischen Materialien Rechnung und berücksichtigt deren teilweise sehr unterschiedliche Eigenschaften.
Nachfolgend eine kurze Beschreibung der wesentlichen Inhalte der Hauptabschnitte des Konzeptpapiers:
Geltungsumfang
Das Konzeptpapier ist anwendbar auf Rohmaterialien wie Zellkulturmedien, Puffer, Harze und Chemikalien, die bei der Herstellung von Proteinen, Polypeptiden und Peptid-Konjugaten Anwendung finden. Die Herstellung dieser Wirkstoffe erfolgt über fermentative zellkulturbasierte Prozesse oder über die Isolierung aus Geweben bzw. Körperflüssigkeiten.
Diese erste Version des Dokuments deckt nicht die Rohmaterialien für die Herstellung viraler vektorbasierter Vakzine und neuartiger Arzneimittel (ATMPs) ab. Dies ist einer zweiten noch nicht veröffentlichten Version des Konzeptpapiers vorbehalten.
Definition von Rohmaterialien
Typische Rohmaterialien für biologische/biotechnologische Herstellprozesse sind essentielle Bestandteile wie z.B. Zellkulturmedien und Zusätze, Enzyme, Komponenten von Pufferlösungen und Chromatographieharze.
Zur Abgrenzung: rekombinante Zelllinien, Gewebe, Körperflüssigkeiten und Primärzellen, die den gewünschten Wirkstoff exprimieren, der dann isoliert und aufgereinigt wird, sind Starting Materials.
Risikobasierte Vorgehensweise
Die Kontrolltiefe und der Aufwand im Rahmen des Qualitätsmanagements für ein Rohmaterial muss sich nach dessen Kritikalität im Herstellprozess des Arzneimittels und nach der Entwicklungsphase richten. Kernstück des EBE-Konzeptpapiers ist ein Ablaufschema, das vier aufeinanderfolgende und aufeinander aufbauende Schritte bei der Risikobewertung eines Rohmaterials beinhaltet:
- Collect knowledge on RM
Informationen über Stabilität, Verunreinigungsprofile, Toxizität, mikrobiologischen Status, Variabilität, Lieferantenspezifikationen des Rohmaterials etc. werden gesammelt.
- RM Risk Assessment
Auf der Grundlage dieser Informationen werden Risikotypen ermittelt wie z.B. das Risiko viraler oder mikrobieller Kontamination, toxischer Verunreinigung oder des negativen Einflusses auf die Prozessperformance aufgrund hoher Variabilität des Rohmaterials.
- Material Attributes Risk Assessment
Für Rohmaterialien mit mittlerem bis hohem Risikoprofil werden Materialeigenschaften bezüglich ihres potentiellen Einflusses auf die Produktqualität abgeleitet. Diese Attribute sollten in regelmäßigen Abständen reevaluiert werden.
- Implement Mitigation Plan
Für Rohmaterialien mit mittlerem bis hohem Risikoprofil werden basierend auf den kritischen Materialeigenchaften Maßnahmen zur Risikominderung eingeführt, wie z.B. besondere Eingangsprüfungen für Rohmaterialien, Sterilisation vor Verwendung, Festlegung von Inhouse-Anforderungen für kritische Materialeigenschaften und Verfallsdaten. Der Effekt dieser Maßnahmen zur Risikominderung kann im jährlichen periodischen Qualitätsreview (APQR) dokumentiert werden.
Des Weiteren enthält das Konzeptpapier eine Reihe von Leitfragen, die als Hilfestellung für die Bewertung von Risiken verschiedener Rohmaterialien dienen. Konkretisiert wird dies durch zwei Beispiele eines beim Aufreinigungsprozess eingesetzten biologischen Puffers - ohne und mit Einfluss auf die kritischen Qualitätsattribute des Wirkstoffs.
Weitere konkrete Beispiele beschreiben
- Interne Spezifikationen (als Maßnahme zur Risikominderung), die für einen spät im Prozess eingesetzten Puffer entwickelt wurden,
- Risikobewertung und Plan zur Risikominderung für ein chemisch definiertes kommerziell erhältliches Medium,
- Risikobewertung und Plan zur Risikominderung für ein kommerziell erhältliches Medium, das undefinierte Bestandteile (z.B. Hydrolysate) enthält,
- Interne Spezifikationen (als Maßnahme zur Risikominderung), die für ein chemisch definiertes kommerziell erhältliches Medium entwickelt wurden,
- Interne Spezifikationen (als Maßnahme zur Risikominderung), die für ein kommerziell erhältliches Medium entwickelt wurden, das undefinierte Bestandteile (z.B. Hydrolysate) enthält,
- Risikobewertung und Risikominderungsplan für ein "Dummy"-Harz,
- Interne, für ein "Dummy"-Harz entwickelte Spezifikationen (als Maßnahme zur Risikominderung),
- Risikominderungsplan für die Produkt-Entwicklungsphasen 1/2 und 3 für die Lieferantenqualifizierung und Qualitätsprüfung eines Hochrisiko-Rohmaterials.
Das besondere Merkmal dieses Konzeptpapiers besteht in seiner ausführlichen und praxisbezogenen Beschreibung des risikobasierten Ansatzes für Management und Kontrolle verschiedenster Rohmaterialien, die bei der Herstellung von biologischen/biotechnologischen Arzneimitteln Verwendung finden. Die zahlreichen Beispiele bieten eine wertvolle Anleitung zur Bewertung dieser Materialien hinsichtlich ihres Risikoprofils und zu ihrer Beschreibung und Dokumentation im Rahmen eines Zulassungsverfahrens und ist damit für Industrie und Zulassungsbehörden gleichermaßen nützlich - vor allem vor dem Hintergrund fehlender, speziell für diesen Zweck konziperter Leitlinien.