Moderne Impfstoffe und Plattformtechnologien - verständlich erklärt
Seminarempfehlung
25.-27. Februar 2025
Karlsruhe
Regulatorische Anforderungen und praktische Umsetzung
In der derzeitigen Situation erreichen uns vielfältige Fragen zur aktuellen Impfstoffentwicklung, den Impfstofftypen, der Zulassung und mehr. Deshalb haben wir aus den uns vorliegenden Informationen und den Kommentaren erfahrener ECA-Mitglieder und Fachreferenten einige Informationen so zusammen gestellt, dass die eine oder andere Frage beantwortet wird:
Hintergrund
Was die Herstellung von Impfstoffen betrifft, verfügt man inzwischen bereits über jahrzehntelange Erfahrungen. Dabei wurden im Laufe der Zeit verschiedenste Impfstoffe gegen die unterschiedlichsten Erreger entwickelt. Im Rahmen der Impfung bekommt der Patient sogenannte Antigene (Viren, Bakterien, Toxine oder Bestandteile von solchen) verabreicht, das körpereigene Immunsystem erkennt diese als "fremd" und bildet entsprechende Antikörper. Wenn dann der echte Erreger, der sogenannte Wildtyp, in den Körper eindringt, identifizieren ihn diese Antikörper anhand seiner molekularbiologischen Gestalt und können ihn so eliminieren.
Diese Antigene können auf verschiedene Weise hergestellt werden - man kann ganze Viren inaktivieren (z.B. FSME), man kann sie inaktivieren und zerstückeln (z.B. Influenza), man kann mittels gentechnischer Methoden überhaupt nur Bestandteile eines Erregers herstellen (z.B. Hepatitis B), man kann Erreger abschwächen (attenuieren), sodass sie sich im Körper zwar noch vermehren, uns aber nicht mehr krankmachen können (z.B. Masern).
Was gehört nun aber zu den sogenannten "Plattformtechnologien", über die man aktuell so viel liest bzw. hört?
Die neue Waffe - mRNA-Impfstoffe
Unsere eigenen Körperzellen produzieren Proteine. Um zu verstehen, wie das vor sich geht, können wir einen Vergleich nutzen, zum Beispiel den Hausbau. Dazu braucht man einen Bauherr, der die Idee im Kopf hat, wie das Haus aussehen soll (DNA). Also zeichnet dieser einen Bauplan (mRNA), und anhand des Planes wird das fertige Haus gebaut (Protein). Dabei werden Bausteine verwendet (Aminosäuren) und Baugeräte eingesetzt (Ribosomen). Diese Vorgänge nennt man Transkription (Übersetzung von DNA in mRNA im Zellkern) und Translation (Übersetzung von mRNA in ein Protein an/mit den Ribosomen, außerhalb des Zellkerns).
Was geschieht bei der mRNA-Impfung? Wir geben unseren Zellen einen zusätzlichen Bauplan in die Hand - vergleichbar mit dem Anbau einer Garage an das Haus und dem Plan für diese Garage (mRNA - Impfstoff/Virusprotein). Und diese Garage sieht exakt genauso aus wie das gewünschte Antigen (bei den aktuellen COVID-Impfstoffen das sogenannte "Spike"-Protein des Coronavirus) - ein Stückchen, gegen das unser Immunsystem Antikörper bilden kann.
Dieser Bau des Proteins anhand des Planes in der mRNA erfolgt außerhalb des Zellkerns, die mRNA kommt also nicht mit der DNA in Berührung.
Manchmal hört man, dass Bedenken geäußert werden, weil es so ein Impfstoff ja bisher noch nie durch eine Zulassung geschafft hätte. Das ist nicht richtig - es wurde bisher einfach nur noch kein solcher Impfstoff eingereicht. Die aktuellen COVID-Impfstoffe sind die ersten, für die jemals ein Zulassungsantrag gestellt bzw. eine Zulassung erteilt wurde.
mRNA ist allerdings nicht so stabil und wird in der Zelle recht schnell abgebaut. Deshalb wird sie zum Einschleusen in die Zelle oft "verpackt", d.h. sie erhält eine Hülle, ein "Liposom". Um das während Lagerung und Transport stabil zu halten, sind evtl. tiefe Temperaturen notwendig.
DNA-Impfstoffe
Ein DNA-Impfstoff funktioniert - ganz grob vom grundlegenden Prinzip her - ähnlich. In diesem Fall bekommt der Geimpfte ein sogenanntes Plasmid verabreicht - ein ringförmiges DNA-Stück, welches den genetischen Code für das gewünschte Antigen (Virus-Protein) enthält. Dieses wandert in den Zellkern, und dort läuft der ganz normale Vorgang der Transkription ab, wie er auch sonst in der Zelle stattfindet. Anstatt wie beim mRNA - Impfstoff gleich den fertigen Bauplan zu bekommen, bekommt die Zelle quasi einen zweiten Bauherrn und muss den zweiten Bauplan anhand dessen Informationen erst selbst zeichnen und dann, außerhalb des Zellkerns, mit den Baugeräten und Bausteinen das Antigen selbst bauen.
Plasmide sind wesentlich stabiler und widerstandsfähiger als RNA und daher leichter herzustellen und zu lagern.
In Europa ist bereits seit einigen Jahren ein DNA-Impfstoff zugelassen: Clynav®, ein Impfstoff für Lachse gegen ansteckende Bauchspeicheldrüsenentzündung. Dieser Impfstoff wird vorwiegend in großen Lachsfarmen eingesetzt und mittels intramuskulärer Injektion am Einzeltier verimpft, in Narkose.
Ein Vorteil von DNA- und RNA-Impfstoffen ist die Reinheit. Da man kein Virus isolieren und anzüchten muss und keine Zellkulturen verwendet, fallen das Risiko einer möglichen Verunreinigung mit anderen Viren, sonstigen Erregern oder Zellresten und die bei Impfstoffen normalerweise geforderten umfassenden Testprogramme auf eben diese Verunreinigungen weg. Das erleichtert die Herstellung. Die fertigen Impfstoffe benötigen kein Adjuvans und enthalten generell nur wenige Inhaltsstoffe.
Vektor-Impfstoffe
Bei Vektor-Impfstoffen dient als Basis ein bereits bekanntes Virus. Für den Bereich der Humanimpfstoffe verwendet man z.B. verschiedene Adenoviren, modifizierte Pockenviren (MVA) oder auch abgeschwächte Masernviren. Dieses bekannte Virus wird gentechnisch verändert, so dass es zum einen unschädlich für den Geimpften wird und zum anderen die benötigten genetischen Informationen für das gewünschte Antigen trägt. Wird heißt, dass es, wenn es in die Zelle gelangt, also diese "infiziert", nicht mehr seine eigene Vervielfältigung durch die Wirtszelle in Gang setzt, sondern statt dessen das gewünschte Antigen erzeugt wird. Alternativ kann das Vektorvirus auch so verändert werden, dass es das gewünschte Antigen - z.B. das Protein eines Coronavirus - auf der Oberfläche trägt. Dann hält der Körper es für einen Coronavirus und bildet entsprechende Antikörper.
Vektor-Impfstoffe sind sowohl im Human- als auch im Veterinärbereich bereits zugelassen
Im Veterinärbereich gibt es einige Vektorimpfstoffe, die man gleich "doppelt" nutzen kann: wenn der Impfstoff vor zwei unterschiedlichen Krankheiten oder vor zwei verschiedenen Varianten desselben Virus schützen soll, packt man dem Impfvirus den genetischen Code des zweiten Erregers mit ein und veranlasst die Zelle somit, mittels Infektion durch EIN Virus die Antigene für ZWEI Viren zu bauen.
Zusammengefasst: Das Besondere an diesen drei Impfstoffvarianten (mRNA, DNA, Vektor) ist, dass der Körper nicht das Antigen verabreicht bekommt (wie wir es von den herkömmlichen Impfstoffen kennen), sondern einen BAUPLAN dafür. Die Zellen des geimpften Menschen oder Tieres bauen das gewünschte Antigen also selbst. Das mit dem Impfstoff eingeschleuste Material benutzt dazu Substanzen und Mechanismen, die in der Zelle ohnehin vorhanden sind.
Proteinbasierte Impfstoffe - rekombinante Nanopartikel oder virus-like particles
Hierzu gibt es mehrere unterschiedliche Varianten. Einfach beschrieben funktioniert es dadurch, dass man das gewünschte Antigen durch gentechnische Methoden herstellt und an ein geeignetes Protein oder eine Protein-Lipid-Kombination koppelt. In diesem Fall wird also das Antigen verabreicht, wie bei herkömmlichen Impfstoffen, allerdings in hochgereinigter Form, da eben nur diese spezifische Antigenstruktur enthalten ist, keine anderen Virusteile. Im Lauf der Arbeit an COVID-Impfstoffen wurden hier einige optimierte Verfahren entwickelt. Das Grundprinzip an sich ist jedoch nicht neu. Sowohl im Human- als auch im Veterinärbereich waren und sind derartige Impfstoffe schon länger in Verwendung. Sie sollen hier nur mit erwähnt werden, da sie auch zu den Plattformtechnologien gehören.
Warum bezeichnet man diese hier genannten Impfstofftechnologien nun als "Plattformtechnologien"?
Bei all diesen Arten, Impfstoffe zu produzieren, hat man einen grundlegenden Herstellungsprozess, der sich nicht verändert - die sogenannte "Plattform". Das bedeutet, die Art, wie mRNA, DNA-Plasmide, virale Vektoren etc. hergestellt werden, ändert sich nicht. Sie ist konsistent und funktioniert immer gleich. Den genetischen Code für das gewünschte Antigen bzw. bei den proteinbasierten Impfstoffen das Antigen selbst kann man aber tauschen. So ein Wechsel lediglich der betreffenden Sequenz oder des Antigens ist wesentlich einfacher und geht viel schneller als wenn man einen kompletten Impfstoff neu entwickeln müsste.
Solche Impfstoffe sind daher sowohl im Human- als auch im Veterinärbereich schon lange in Diskussion, weil man damit besonders bei allen Arten von Seuchenausbrüchen bei Mensch und Tier eine Möglichkeit sieht, rasch Impfstoffe auf gut etablierten Herstellungsprozessen zu produzieren. Sie bieten somit grundsätzlich auch die technische Möglichkeit, bei Mutationen schneller zu reagieren.
Im Rahmen der aktuellen Entwicklung und Herstellung von COVID-19-Impfstoffen sind alle diese Technologien in Verwendung, wobei proteinbasierte und DNA-Impfstoffe derzeit (Anfang Januar) noch nicht zur Zulassung eingereicht wurden. Fachliche Überlegungen und Einschätzungen zu den Zulassungen zu diesen Impfstoffen findet man auch unter "EMA considerations on COVID-19 vaccine approval" - und die WHO bietet einen Tracker für die derzeitigen Entwicklungen unter "Draft landscape and tracker of COVID-19 candidate vaccines".
Weitere interessante Informationen zu SARS-CoV-2 Impfstoffen findet man auch unter "SARS-CoV-2 Vaccines: Status Report" von Amanat and Kammer und im Artikel "SARS-CoV-2 vaccines in development" von Kammer.