Neue FDA Guideline: Qualitätsaspekte für Kontinuierliche Herstellung
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Die FDA hat im Februar 2019 eine neue Guideline als Entwurf veröffentlich, die auf Qualitätsaspekte bei der kontinuierlichen Herstellung von Arzneimitteln eingeht. Dies betrifft Punkte in der Entwicklung, der Prozess-Validierung, der Zulassung und der Routine-Produktion.
Die FDA sieht in der kontinuierlichen Herstellung das wichtigste Werkzeug in der Modernisierung der pharmazeutischen Industrie. In einem zeitgleich erschienen Statement von FDA Commissioner Scott Gottlieb und CDER Director Janet Woodcock ist von mittlerweile fünf kontinuierlich hergestellten Produkten (von vier Firmen) die Rede, die bereits zugelassen sind. Vor vier Jahren war es nur ein zugelassenes Produkt. Zwanzig Firmen insgesamt arbeiten mit der FDA beim Thema Continuous Manufacturing zusammen. Darunter Original- als auch Generika-Hersteller. Um die Pharma-Industrie weiter zu unterstützen, wurde die nun vorliegende Guideline entwickelt. Auch wurde die Entwicklung einer ICH Guideline für kontinuierliche Arzneimittelherstellung angestoßen, deren Fertigstellung für 2021 geplant ist.
Der Guideline-Entwurf "Quality Considerations for Continuous Manufacturing" richtet sich vornehmlich an die Hersteller von festen Arzneimitteln bzw. small molecule drugs. Prinzipiell lassen sich die Hinweise der Guideline auch für die Herstellung von Biologics heranziehen, diese stehen aber nicht im Fokus des Papiers.
Unter einem kontinuierlichen Prozess versteht die FDA einen Prozess, der aus mindestens zwei verbundenen Unit Operations besteht, dem kontinuierlich Material zugeführt wird und aus dem kontinuierlich Material (Produkt) entnommen wird. Herkömmliche Chargen-Prozesse bestehen laut FDA aus der Aneinanderreihung von einzelnen Prozess-Schritten. Da die integrierte, kontinuierliche Verfahrensweise neu für die Pharma-Industrie ist, beschreibt die neue Guideline die Schlüssel-Elemente, die bei kontinuierlichen Prozessen betrachtet werden müssen und die sich in den einzelnen Kapiteln wiederfinden:
A. Key Concepts of Continuous Manufacturing
1. Process Dynamics
2. Defining Batches for Continuous Manufacturing Processes
B. Control Strategy
1. Input Material Control
2. Process Monitoring and Control
3. Material Diversion
4. Real Time Release Testing
5. Specification
6. Equipment
7. System Integration, Data Processing, and Management
C. Process Validation
D. Additional Pharmaceutical Quality System Considerations
E. Scale-Up
F. Stability
G. Bridging Existing Batch to Continuous Manufacturing
Kontinuierliche Prozesse sind, im Gegensatz zu den herkömmlichen Chargen-Prozessen, dynamisch. Um den Prozess-Fluss charakterisieren zu können, ist die Bestimmung der sogenannten Residence-Time-Distribution (RTD) erforderlich. Die RTD ist eine Wahrscheinlichkeitsverteilung, die die Zeit beschreibt, wie lange eine Masse im Prozess verweilt. Sie kann über Tracer-Studien ermittelt werden, durch Online-Messung von bestimmten Produkt-Eigenschaften und/oder über mathematische Verfahren (Process Modelling).
Ein ganz wesentlicher Punkt in der kontinuierlichen Verfahrensweise ist die Kontroll-Strategie. Die hierfür wichtigen Elemente sind: Kontrolle der Eingangsstoffe, Prozess-Monitoring, Material-Ausschleusung, Real-Time-Release-Testing (RTRT), die Spezifikation und die Prozess-Ausrüstung.
Da kontinuierliche Prozesse kontinuierlich mit Einsatzstoffen "gefüttert" werden müssen, spielt deren Fließverhalten eine sehr viel größere Rolle. Dies kann dazu führen, dass zusätzliche Materialeigenschaften spezifiziert werden müssen, wie z.B. die Partikelgröße-Verteilung oder die Dichte von Wirk- oder Hilfsstoffen.
Ein kontinuierlicher Prozess befindet sich im Idealfall im sogenannten "state-of-control". Es wird aber immer wieder Situationen geben, wo dies, z.B. durch Störungen, An- oder Abfahren des Prozesses nicht der Fall ist. Hier muss sicher gestellt sein, dass nicht-konformes Material je nach Schwere und Dauer der Störung und in Abhängigkeit der Prozess-Dynamik ausgeschleust wird. Unerwartete Störungen, die zur Ausschleusung von Produkt führen, sollen untersucht werden, bevor die Charge weiter verwendet wird.
Durch den Einsatz von PAT und der damit verbundenen Gewinnung von Inprozess-Daten ist die Etablierung einer Freigabe in Echtzeit möglich (RTRT). Dies ist laut FDA ein "kann" und kein "muss" für kontinuierliche Prozesse, wird aber angeraten.
Für Fertigarzneimittel wird gemäß FDA CFR eine Spezifikation benötigt. Die Etablierung von Spezifikationen für kontinuierlich hergestelltes Produkt sollte den Vorgaben von ICH Q6A und B folgen. Die Daten, die im Rahmen einer RTRT anfallen, sieht die FDA dabei als aussagekräftiger, als Daten, die im Rahmen einer Endkontrolle des Produkts bestimmt werden. Dennoch sollte die Spezifikation offline Test-Methoden und Akzeptanz-Kriterien beinhalten, alleine um schon Stabilitätsprüfungen zu späteren Zeitpunkten durchführen zu können.
Die FDA geht davon aus, dass die Leistungsfähigkeit von für die kontinuierliche Produktion eingesetztem Equipment mit der Zeit nachlässt. Um diesem entgegenzuwirken, müssen zusätzliche Punkte bei Qualifizierung, Wartung und Reinigung bedacht werden.
Die Qualifizierung der Ausrüstung muss sowohl einzelne Herstell-Schritte als auch den integrierten Gesamt-Prozess behandeln. In der Qualifizierung sollen zu erwartende Bedingungen (Flussraten, Drücke, Geschwindigkeiten, Dauer) betrachtet werden. Auch die Ausschleusung von nicht-konformem Material soll in der Qualifizierung abgeprüft werden. Die Quality Unit soll Akzeptanzkriterien für die Leistungsfähigkeit des Equipments etablieren.
Das Reinigungsprozedere soll anhand des Monitorings von Materialien während und nach der Fertigung entwickelt werden. Rückstände in der Ausrüstung (in Rohren, Filtern, etc.) müssen hierfür betrachtet werden.
Da kontinuierliche Prozesse in Echt-Zeit gesteuert werden müssen, fallen in sehr kurzer Zeit sehr viele Daten an, die in Echtzeit ausgewertet werden müssen, um Prozess-Entscheidungen zu treffen. Laut FDA sollte dies daher ein automatisiertes System übernehmen. Das Design und die Validierung dieses Systems sieht die FDA als besonders kritisch. Die Quality Unit sollte vorab definieren, welche Alarme welche Aktionen bedingen. Das System muss darüber hinaus den Anforderungen des 21 CFR Part 11 genügen.
Für die Validierung eines kontinuierlichen Prozesses nennt die FDA die Guidelines: Process Validation: General Principles and Practices sowie ICH Q8, Q9, und Q10. Auch das Drei-Phasenmodell der FDA ist anwendbar (1 Process Design; 2 Process Qualification; 3 Continued Process Verification), wobei bestimmte Qualifizierungsschritte aus Phase 2 oder 3 in Phase 1 rutschen können.
Da die Einführung von kontinuierlichen Prozessen eine so grundlegende Änderung ist, sollte der Hersteller sein pharmazeutisches Qualitätssicherungssystem bewerten und sicherstellen, dass neue Punkte mit abgedeckt sind, wie z.B. die Handhabung von Prozess-Störungen in Echt-Zeit, die Überprüfung von Rohstoffen & Inprozess-Materialien, Change Management, CAPA wie auch Qualifizierung und Wartung für kontinuierliche Prozesse.
Auch dem Scale-Up ist ein Kapitel gewidmet. Scale-Up ist auf drei Arten möglich: Verlängerung der Prozess-Zeit, Erhöhung der Durchflussraten oder Erhöhung von beidem. Das geringste Risiko sieht die FDA dabei, wenn alleine die Prozess-Zeit erhöht wird. In diesem Fall und wenn andere Parameter unverändert bleiben, kann es für den Hersteller möglich sein, den Scale-Up innerhalb seines QS-Systems abzubilden, ohne ein Supplement an die FDA zu schicken.
Die Umstellung von einem herkömmlichen Chargen-Prozess auf einen kontinuierlichen Prozess sieht die FDA im Übrigen ein Prior-Approval-Supplement (PAS) vor, der strengsten Änderungskategorie, die üblicherweise auch mit einer Inspektion verbunden ist. Zusätzlich finden sich im Anhang eine Liste mit Definitionen sowie eine Tabelle, die angibt, an welchen Stellen eines Zulassungsantrags im CTD-Format, spezifische Angaben für kontinuierliche Herstellung gemacht werden können.
Den Entwurf der Guideline "Quality Considerations for Continuous Manufacturing" finden Sie auf der Seite der FDA.