Nitrosamin-Verunreinigungen in Arzneimitteln und Wirkstoffen - die neue Guidance der FDA
Seminarempfehlung
22./23. Januar 2025
Pflichten, Aufgaben und Verantwortlichkeiten bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen
"This Guidance is for immediate implementation" - so lautet die Anweisung direkt unter dem Titel der neuen FDA-Guidance for Industry "Control of Nitrosamine Impurities in Human Drugs", die im September 2020 veröffentlicht wurde. Das sofortige Inkrafttreten dieser Guideline ist dem dringenden Regelungsbedarf geschuldet, der sich aus der Tatsache ergibt, dass in den letzten zwei Jahren seit der Entdeckung der ersten Fälle von Nitrosamin-Verunreinigungen in Valsartan-Präparaten zahlreiche weitere Fertigarzneimittel mit teilweise toxikologisch bedenklichem Gehalt an Nitrosaminen aufgetaucht sind. Im Vorwort weist die Behörde darauf hin, dass diese Guidance sofort ohne die sonst übliche Frist zur Kommentierung in Kraft gesetzt wird und begründet dies mit der Notwendigkeit, den Arzneimittel- und Wirkstoffherstellern zeitnahe Informationen zur Durchführung von Risikobewertungen, analytischen Prüfungen und anderen Maßnahmen zur Risikominderung bezüglich Nitrosamin-Kontaminationen an die Hand zu geben.
Die Guidance beschreibt den aktuellen Kenntnisstand zu dieser Thematik in insgesamt fünf Hauptkapiteln:
I. Einführung (Introduction) und II. Hintergrund (Background)
In einem kurzen historischen Exkurs beschreibt die FDA ihr Vorgehen und die getroffenen Maßnahmen vom ersten Bekanntwerden verunreinigter Valsartan-Chargen im Jahr 2018 bis in die Gegenwart. Es folgen die Erläuterung der Nitrosamin-Bildung anhand eines generellen chemischen Reaktionsschemas (Nitrosierung primärer bzw. sekundärer Amine) sowie die verschiedenen Ursachen (root causes), die zur Nitrosamin-Kontamination führen können. Die FDA betont die Wichtigkeit der genauen Kenntnis der Lieferkette (awarness of the supply chain) und damit auch die Kontrolle der Lieferanten und der Transportwege. Nur so können eingeschleppte Verunreinigungen wirksam vermieden werden.
III. Empfehlungen (Recommendations)
Ähnlich den Anforderungen, die für die europäischen Mitgliedstaaten gilt, verlangt die FDA auch eine Priorisierung der Risikobewertungen nach den Kriterien
- maximale Tagesdosis
- Behandlungsdauer
- therapeutische Indikation
- Anzahl der behandelten Patienten
Je nach Bekanntwerden neuer Informationen und Fortschritte im Erkenntnisstand behält sich die FDA vor, bestimmte Präparate in Bezug auf eine Risikoanalyse höher zu priorisieren. Für die Risikobewertung sind die Vorgaben aus ICH Q9 anzuwenden.
Für sechs Nitrosamin-Spezies, die häufig in pharmazeutischen Präparaten gefunden werden, sind jeweils Tagesdosis-Grenzwerte angegeben (höchster Grenzwert von 96 ng/Tag für NDMA, niedrigster Grenzwert von jeweils 26,5 ng/Tag für NDEA, NMPA, NIPEA und NDIPA). Diese Werte gelten für den Fall, dass nur eine Nitrosamin-Spezies vorhanden ist. Bei mehreren Nitrosaminen, die (basierend auf einer maximalen Tagesdosis des betreffenden Medikaments von 880 mg) in Summe den Grenzwert von 26,5 ng überschreiten, muss der Hersteller die Behörde kontaktieren. Wenn Nitrosamine nachgewiesen werden, für die keine offiziellen Tagesdosis-Grenzwerte existieren, ist das Risiko nach den Vorgaben von ICH M7(R1) zu evaluieren.
Dieser Abschnitt der Guidance enthält ferner ausführliche Empfehlungen an die Hersteller von pharmazeutischen Wirkstoffen sowie an die Fertigarzneimittel-Hersteller, welche Vorsichtsmaßnahmen zur Eindämmung des Risikos einer Nitrosamin-Kontamination zu ergreifen sind. Insbesondere der Abschnitt, der sich an die Wirkstoffhersteller richtet, beschreibt ausführlich die Vorsichtsmaßnahmen unter Berücksichtigung der aktuell bekannten Nitrosamin-Quellen wie z.B. Besonderheiten bei der chemischen Synthese, Katalysatoren, Ausgangsstoffe, Rohmaterialien und deren Lieferketten, Hilfsmedien, Lösungsmittel etc.
IV. Aufrechterhaltung der Lieferfähigkeit (Maintaining the Drug Supply) und V. Änderungsmeldungen an die FDA (Reporting Changes to FDA)
In diesem Kapitel werden Änderungen beschrieben, die zwecks Risikominderung durchgeführt werden müssen und unter Umständen eine eingeschränkte Lieferfähigkeit des Produkts zur Folge haben. Die FDA formuliert hier klare Vorgaben in Bezug auf die Kommunikation sowie die Meldepflichten der Drug Master File-Halter in Fällen von kontaminationsbedingten erzwungenen Änderungen im Herstellverfahren. Ferner werden Fristen für die Risikobewertung, konfirmatorische Prüfungen und Einreichung der Änderungen definiert. So müssen beispielsweise die Hersteller von genehmigten oder bereits auf dem Markt befindlichen Arzneimitteln die Risikobewertung innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung dieser Guidance (März 2021) fertigstellen. Für die konfirmatorische Prüfung und die Meldung der evt. notwendigen Prozessänderungen existiert eine Frist von drrei Jahren (September 2023). Für Produkte mit noch nicht abgeschlossenen Antragsverfahren (pending applications) ist die Risikobewertung und eine evt. notwendige konfirmatorische Prüfung zügig durchzuführen. Bei Neuanträgen empfiehlt die FDA, Risikoanalyse und ggf. die konfirmatorische Prüfung vor Einreichung des Antrags abzuschließen. Falls der Antrag schon eingereicht wurde, ist schnellstmöglich eine entsprechende Ergänzung zum Antrag (Amendmend) nachzureichen.
Generell erwartet die FDA, dass die Risikoanalysen innerhalb der in der Guidance beschriebenen Fristen durchgeführt werden und auf Verlangen vorgelegt werden können; sie müssen jedoch nicht eingereicht werden. Eine Pflicht zur Einreichung besteht jedoch für Meldungen in Bezug auf Änderungen im Herstellprozess.
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