Bioaktivitätsstestung von ATMP

Potency Assays sind entscheidend für die Bewertung der biologischen Aktivität von Arzneimitteln und damit auch für Zell- und Gentherapeutika.  Im besten Fall ist die Bioaktivität mit der Wirksamkeit im Patienten assoziiert. Die Entwicklung und Validierung von Potency Assays für Zell- und Gentherapeutika bringt jedoch Herausforderungen mit sich.

1. Komplexität der Produkte

Zell- und Gentherapeutika sind oft sehr komplex und heterogen. Zelltherapien bestehen aus lebenden Zellen, die eine Vielzahl von Funktionen haben können, während Gentherapien genetische Materialien einschleusen, die in den Zielzellen unterschiedliche Effekte auslösen können. Diese Komplexität macht es schwierig, einen einzigen Potency Assay zu entwickeln, der alle relevanten Aspekte der Produktfunktion abdeckt. Vor allem in der frühen Phase ist teilweise der Mechanism of Action (MoA) oder die MoAs noch nicht vollständig verstanden, was die Auswahl und Entwicklung der geeigneten Potency Assays erschwert.

2. Variabilität der biologischen Systeme

Die biologische Variabilität bei ATMPs ist in den meisten Fällen signifikant höher als bei klassischen Proteintherapeutika, z. B. zwischen Zellchargen. Diese Variabilität erschwert die Etablierung von Potency Assays, da sie einerseits innerhalb SSC und Akzeptanzkriterien zuverlässige Ergebnisse liefern sollen, andererseits aber auch die Variabilität des Produktes tolerieren müssen, so lange dies nicht die Wirksamkeit im Patienten und die Sicherheit negativ beeinflusst.

3. Messung der relevanten biologischen Aktivität

ATMPs erfordern aufgrund ihrer oft komplexen Wirkmechanismen ein tiefes Verständnis der relevanten Signalwege und der biologischen Prozesse, die für das Produkt relevant sind. Daher ist es wichtig frühzeitig daran zu arbeiten, dieses Wissen zu erlangen und ggf. entsprechend iterativ die Strategie zur Potency Bestimmung aufzubauen.

4. In-vitro- vs. In-vivo-Tests

Während in-vitro-Tests oft praktischer und kostengünstiger sind, spiegeln sie nicht immer die komplexen Wechselwirkungen wider, die in einem lebenden Organismus auftreten. Es ist daher eine Herausforderung, in-vitro-Potency Assays zu entwickeln, die die in-vivo-Bedingungen und -Effekte genau widerspiegeln. Sowohl FDA als auch EMA fordern heute jedoch die Einhaltung von 3R für die Freigabeanalytik, also ist die Umsetzung alternativlos.

5. Regulatorische Anforderungen

Die regulatorischen Anforderungen an Potency Assays für Zell- und Gentherapeutika sind streng und variieren je nach Land. Die Assays müssen nicht nur wissenschaftlich fundiert und reproduzierbar sein, sondern auch den Anforderungen der Zulassungsbehörden entsprechen, was zusätzliche Komplexität und Aufwand bedeutet. Des weiteren fallen ATMPs nicht unter mutual recognition, es muss also auch darauf geachtet werden, dass die Freigabe im richtigen Land erfolgt.

6. Herausforderungen

Die Entwicklung von Potency Assays erfordert oft spezialisierte Techniken und Geräte. Die Etablierung und Validierung dieser Methoden kann zeitaufwändig und kostspielig sein. Zudem müssen die Assays robust genug sein, um gemäß ICH Q2(R2) validierbar zu sein und routinemäßig in einem Produktionsumfeld eingesetzt werden zu können.

7. Moderne Tools zur Verbesserung der Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit

Sowohl Quality by Design (QbD), wie in der ICH Q14 gefordert, als auch der Einsatz von AI helfen, neue Verfahren so aufzusetzen, dass sie geeignet für den Einsatz unter GMP sind. Des Weiteren ist Automatisierung der Durchführung eine wichtige Säule in der Minimierung der Variabilität.

8. Stabilität und Lagerung

Zell- und Gentherapeutika sind oft empfindlich gegenüber Umweltbedingungen wie Temperatur und Licht. Lagerung und Transport müssen so gewählt und validiert sein, dass die Produktstabilität gewährleistet ist, und der funktionale Potency Assay muss ausreichende "stability indicating properties" haben, um Schäden am Produkt zuverlässig zu erkennen. Auch dies ist Teil der Validierung gemäß ICH Q2 (R2).

Zusammengefasst erfordern Potency Assays für Zell- und Gentherapeutika einen integrativen Ansatz, der wissenschaftliche Expertise, technisches Know-how und ein tiefes Verständnis der regulatorischen Anforderungen kombiniert. Die Bewältigung dieser Herausforderungen ist entscheidend, um die Sicherheit und Wirksamkeit dieser fortschrittlichen Therapien sicherzustellen.

Um dem zunehmenden Bedarf an Austausch auf wissenschaftlicher und regulatorischer Ebene Rechnung zu tragen, hat sich die ECA Academy in Zusammenarbeit mit Concept Heidelberg und Experten aus dem Bereich Bioassays und Potency Assays entschlossen, eine europäische Konferenz ins Leben zu rufen, die Behörden, Industrie und Labore zusammenbringt. Die Bioassay/Potency Assay Konferenz beim PharmaLab Congress am 26./27. November 2024 in Neuss bietet ein zweitägiges Vortragprogramm mit entsprechenden Möglichkeiten zum Austausch und eine Plattform mit Kolleginnen und Kollegen, Referierenden und Behördenvertretern/innen die aktuellen Herausforderungen und Anforderungen zu diskutieren. Dabei werden nicht nur aktuelle Entwicklungen auf regulatorischer Ebene vorgestellt, sondern auch aktuelle Fallbeispiele aus der Industrie und von CROs bei der Entwicklung und Etablierung von Potency Assays und Erfahrungen mit Automatisierung und Digitalisierung.

Zurück zur Newsübersicht