QbD: neue EMA-Leitlinie zur Herstellung fertiger Darreichungsformen
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11./12. Februar 2025
Entwicklung, Herstellung, Prüfung, Freigabe und Distribution
Die europäische Arzneimittelagentur EMA veröffentlichte am 14. August 2017 ihre neue Leitlinie für die Herstellung fertiger Darreichungsformen. Die Leitlinie ersetzt die "Note for Guidance on Manufacture of the Finished Dosage Form" (vom April 1996) und wird am 14. Februar 2018 in Kraft treten.
Die EMA sagt, das Dokument werde Klarheit über die Art und den Umfang der Informationen schaffen, welche im CTD (Common Technical Document) Modul 3 des Zulassungsdossiers hinsichtlich der Herstellungsprozessbeschreibung angegeben werden sollten. Es befasse sich außerdem mit Themen in Bezug auf die zunehmende Auslagerung von Herstellungsschritten, neuen Herstellungsmethoden mit komplexen Fertigungsketten, oder Problemen mit verlängerten Standzeiten und Transportbedingungen. Zudem werden der Inhalt und die QbD-Grundsätze der ICH Q8-Leitlinie (pharmazeutische Entwicklung) berücksichtigt.
Laut der EMA führen die 15 Seiten der neuen Leitlinie keine neuen Anforderungen für die Zulassung von Humanarzneimitteln ein. Dennoch: Nachdem eine Zulassung erfolgt ist, sollte der Zulassungsinhaber hinsichtlich der Herstellungsmethoden und -kontrolle den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt berücksichtigen und sämtliche Änderungen umsetzen, die notwendig sind, damit ein Arzneimittel stets gemäß allgemein anerkannter wissenschaftlicher Methoden hergestellt wird.
Die Leitlinie beinhaltet einen Abschnitt "Definitionen", welcher "Control Strategy" (ICH Q10), "CPPs" (Critical Process Parameter, ICH Q8) , "CQAs" (Critical Quality Attribute, ICH Q8), "Design Space" (ICH Q8), "Hold Time" (siehe auch "Supplementary guidelines on GMP: General guidance on hold-time studies"- In: Annex 4 (WHO Technical Report Series, No. 992)) und "RTRT" (Real Time Release Testing, ICH Q8) definiert, sowie einen Abschnitt "Referenzen". Zusätzlich wurde ein Annex ergänzt, welcher ein Beispiel für eine Herstellungsprozessbeschreibung für eine Tablette (inklusive Granulierung als Prozessschritt) zeigt, das die behördlichen Erwartungen in Bezug auf die Detailtiefe verdeutlichen soll.
Die folgenden generellen Aspekte bezüglich der Beschreibung von Herstellungsprozess und Prozesskontrollen werden im Dokument vorgestellt:
- Eine Beschreibung des vollständigen Herstellungsprozesses sollte bereitgestellt werden, ergänzt von einem Flow Chart, welches jeden Schritt des Prozesses inklusive In-Prozess-Kontrollen beschreibt und in jeder Phase zeigt, wo Materialien in den Prozess gelangen.
- Wenn ein Design Space beantragt wird, sollte dieser deutlich gekennzeichnet und beschrieben sein.
- Die Beschreibung des Herstellungsprozesses sollte durch Entwicklungsdaten angemessen begründet werden, insbesondere in Hinblick auf sämtliche Betriebsbedingungen oder -bereiche im Prozess. Die Beschreibung eines Herstellungsprozesses mit weiten Parameter-Bereichen (weiter als Bereiche, die gewöhnlich als gängige Prozessbereiche akzeptiert werden würden) oder eine, die nur einen unteren oder oberen Grenzwert definiert, erfordert generell eine eingehendere Erörterung und/oder wissenschaftliche Begründung im Abschnitt der Herstellungsprozessentwicklung.
- Eine vollständige Herstellungsprozessvalidierung ist zum Zeitpunkt des Antrages für bestimmte Produkttypen nicht erforderlich. Sollte das Ergebnis einer solchen umfassenden Studie zum Zeitpunkt der Einreichung noch nicht vorliegen, wird erwartet, dass die während der Herstellungsprozessentwicklung ermittelten Einstellungen der Prozessparameter in der Prozessbeschreibung festgehalten werden. Für den Fall, dass auf Grund des Ergebnisses einer umfassenden Validierungsstudie Änderungen an den registrierten Prozessparametern vorgenommen werden müssen, sollten diese Änderungen gemäß der Variations Regulation als Post-Approval-Änderungen beantragt werden.
- Wenn für das Produkt relevant, sollten jegliche Umgebungsbedingungen während der Herstellung, z.B. niedrige Luftfeuchtigkeit bei Brausetabletten, angegeben werden.
- Abhängig von der Art des Prozesses und des Produktes (z.B. sterile Produkte) sollten die Herstellungszeiten kritischer Schritte sowie Standzeiten angegeben und begründet werden.
- Die Schritte, bei denen Prozesskontrollen, Zwischenprüfungen oder abschließende Produktkontrollen durchgeführt werden, sollten gekennzeichnet werden. Es sollte dargelegt werden, in welchem Umfang die Qualitätssicherung des fertigen Produktes auf dem Herstellungsprozess selbst basiert. Die Bedeutung der Prozessbeschreibung und Prozesskontrolle als Teil der allgemeinen Kontrollstrategie sollten auf Grundlage von Entwicklungsstudien beschrieben und bewertet werden. Jedem Fertigproduktherstellungsprozess sollte eine entsprechende, für ihren Zweck geeignete Kontrollstrategie zugewiesen werden. Die angewendeten Kontrollstrategien können verschiedenartig sein, falls "Real Time Release Testing" (RTRT) (siehe auch EMA Leitlinie zu RTRT, Entwurf Annex 17) beantragt, ein Design Space beansprucht oder eine kontinuierliche oder standardmäßige Herstellung durchgeführt wird.
Die erwartete Detailtiefe in der Herstellungsprozessbeschreibung ist wie folgt:
- Es wird erwartet, dass die Prozessbeschreibung im Verhältnis zur Kontrollstrategie betrachtet und dass der Herstellungsprozess im notwendigen Detail beschrieben wird (da die gleichbleibende Qualität eines Produktes nicht allein durch finale Endprodukttests sichergestellt werden kann).
- Die Prozessbeschreibung sollte umfangreich sein, inklusive aller Prozessschritte in ihrer vorgesehenen Reihenfolge mit Chargengröße(n), Funktionsprinzipien und Anlagentyp(en) für jeden Bedienungsschritt (ein bloßer Hinweis auf "geeignete Anlagen" ist nicht ausreichend; hingegen sind Details wie Modell und Seriennummer nicht erforderlich).
- Wo es sinnvoll ist, sollte die Arbeitskapazität der Anlagen angegeben werden. Die Prozessschritte sollten die nötige Detailtiefe in Bezug auf angemessene Prozessparameter sowie deren Zielvorgaben und Bereiche aufweisen (ein bloßer Verweis auf die "normalen" Grenzwerte ist nicht genügend). Wo den Prozessparametern Kritikalität zugewiesen wurde, sollte sich die Beschreibung der Prozessparameter nicht nur auf CPPs beschränken, sondern auch wichtige Parameter für die Konsistenz des Herstellungsprozesses angeben. Nicht kritische Prozessparameter (auch solche Parameter, bei welchen der Einfluss auf Qualitätsmerkmale nicht ausgeschlossen werden kann und die als wichtig für die Durchführung und/oder die gleichbleibende Leistung jedweden Prozessschrittes - und damit seines Ergebnisses - angesehen werden) sollten in angemessener Detailtiefe beschrieben werden.
- Jegliche Angabe, welche rein unterstützend gemacht wird, sollte begründet und klar gekennzeichnet werden.
- Die Anforderungen an die Detailtiefe in der Beschreibung des Herstellungsprozesses gelten unabhängig vom Entwicklungsprozess, also davon, ob das Produkt mit dem minimalen (traditionellen) oder dem erweiterten QbD-Ansatz entwickelt wurde.
- Im Falle einer kontinuierlichen Herstellung (continuous manufacturing) wird die Beschreibung des Herstellungsprozesses in gleicher Form erwartet.
Kontrolle von kritischen Schritten und Zwischenprodukten:
- Alle kritischen Schritte und Zwischenprodukte, welche während der Herstellung des Fertigprodukts identifiziert werden können, sollten in diesem Abschnitt aufgelistet werden - inklusive aller In-Prozess-Kontrollen, angewandten Testmethoden und Annahmekriterien.
- Für komplexe Kontrollstrategien (z.B. die Nutzung von Modellen für die Prozesskontrolle, kontinuierliche Herstellung) sollte genau angegeben sein, wie Freigabeprüfungen und Produktfreigaben vorgenommen werden.
- Informationen darüber, wie unerwartete Abweichungen vom zugelassenen Herstellungsprozess festgestellt und gehandhabt werden, sollten angegeben werden, um zu gewährleisten, dass die Qualität des Produktes erhalten bleibt.
- Die Tatsache, dass ein Parameter innerhalb eines Herstellungsschrittes geprüft und als in einem Bereich verifiziert wurde, der die kritischen Qualitätsattribute (Critical Quality Attribute = CQA) nicht beeinträchtigt, macht diesen nicht automatisch zu einem nicht kritischen Parameter. Die Rechtfertigung für die Kennzeichnung eines Schrittes als kritisch oder nicht kritisch sollte bereitgestellt werden, inklusive einer Verknüpfung zu Versuchsdaten im Abschnitt "pharmazeutische Entwicklung" (z.B. über eine Risk-Assessment-Tabelle), falls relevant.
Lagerung von Zwischenprodukten und Bulk-Ware:
- Es sollte angegeben werden, ob eine Lagerung vor der Endverpackung erforderlich ist und wenn ja, bei welchen Temperaturen, welcher Luftfeuchtigkeit oder anderen Umgebungsbedingungen. Der Umfang der im Dokument angegebenen Informationen ist abhängig von der Art der Bulk-Ware.
- Wo relevant, sollte die maximale Standzeit der Bulk-Ware oder alternativ die maximale Chargenherstellungsdauer vom Start der Produktherstellung bis zum Abschluss des Verpackens in das finale Primärbehältnis angegeben, angemessen begründet und mit Daten untermauert werden.
- Die Gründe für verlängerte Lagerungs-/Verarbeitungszeiten (z.B. mehr als 30 Tage bei festen oralen Darreichungsformen und mehr als 24 Stunden bei sterilen Produkten) sollten angegeben werden und mit GMP konform sein. Wo relevant, sollten Stabilitätsdaten zur Bestätigung der Standzeit für mindestens zwei im Pilotmaßstab hergestellte Chargen zur Verfügung gestellt werden.
- Für den Transport von Bulk-Ware (Zwischenprodukt) zwischen Produktionsstätten gibt es entsprechende Hinweise im EU-GMP Annex 15 darüber, wie der Transport berücksichtigt werden sollte. Der Einfluss kurzer oder längerer Abweichungen von den ursprünglichen Lagerungsbedingungen sollte erläutert und auf beschleunigte oder Echtzeit-Stabilitätsdaten gestützt werden.
- Die Eignung des vorgeschlagenen Verpackungssystems für das Behältnis der Bulk-Ware (Zwischenprodukt) für die Lagerung (und wenn nötig den Transport) sollte begründet werden. Die Materialien, die für das Verpackungssystem genutzt werden, sollten gemeinsam mit den Kontrollvorgaben für die primäre Bulk-Verpackung beschrieben sein.
Mehr Informationen finden Sie in der EMA-Leitlinie zur Herstellung fertiger Darreichungsformen und im EMA Questions and Answers Dokument zum "verbesserten Verständnis für NORS, PARS, DSp und normale Schwankungen von Prozessparametern".