Qualifizierung, Requalifizierung - häufige Unstimmigkeiten
Seminarempfehlung
26.-28. November 2024
1. Allgemeines
Sehr häufig werden die Begriffe Qualifizierung, Requalifizierung und Monitoring vermischt, gerade wenn im GMP-Umfeld die etwas andere Sprache aus der ISO Normen-Welt genutzt wird. Daher sollen im Folgenden die drei Begriffe erläutert und im Anschluss an den Beispielen Wasser-System und Reinraum exemplarisch gegeneinander abgegrenzt werden.
Gemäß GMP gilt ganz allgemein;
- Qualifizierung: Sicherstellung bei neu bzw. neu in Betrieb genommenen Anlagen, dass diese den vorgesehen Zweck erfüllen
- Requalifizierung*: Sicherstellung, dass sich die Anlage nach Änderungen immer noch im qualifizierten Zustand befindet UND periodisch wiederkehrende Bewertung einer Anlage innerhalb definierter Zeitabstände
- Monitoring: Überwachung einer Anlage oder eines Systems - dies kann kontinuierlich oder diskontinuierlich sein
Das Thema Requalifizierung* bedarf aber einer genaueren Betrachtung. Streng genommen ist die Requalifizierung im Annex 15 des EU GMP Leitfadens, dem Leit-Dokument für die Qualifizierung in Europa, nicht genannt. Allerdings ist die Revalidierung beschrieben, und da die Qualifizierung als Teilmenge der Validierung betrachtet wird, ist somit auch eine Requalifizierung erforderlich. Eine Zeitvorgabe existiert nicht. Es sollte aber eine zeitliche Vorgabe geben, wann eine periodisch wiederkehrende Requalifizierung durchgeführt werden muss. Diese Vorgaben sollten nicht generell, sondern systembezogen und risikobasiert getroffen und eingehalten werden. In vielen Fällen sind dies 3-5 Jahre. Für einen Vollautomaten in der optischen Kontrolle von Parenteralia beispielsweise könnte dies aber schon für alle 1-2 Jahre festgelegt sein. Ganz wichtig ist hierbei aber, dass man unter dieser Requalifizierung keine Wiederholung der Qualifizierung versteht. In der Regel sind auch keine neuen Tests oder Messungen erforderlich, insofern die betrachtete Anlage nicht verändert wurde. Die Requalifizierung ist hier vielmehr ein Review der Daten aus dem Routinebetrieb, auch wenn nicht jeder GMP-Inspektor an dieser Stelle mit dem Wort "Review" einverstanden sein mag. Es sollen also die qualitätsrelevanten Anlagen- oder Spezifikationsparameter betrachtet und ausgewertet werden, wie auch die im betrachteten Zeitraum erfolgten Anlagenänderungen und zur Anlage gehörenden Abweichungen. Eine Auswertung des Logbuchs sollte ebenfalls Teil dieser Auswertung sein. Das Dokument sollte mit einer Schlussfolgerung enden, die über den Zustand der Anlage Auskunft gibt: Anlage gilt weiterhin als qualifiziert Ja / Nein. Der Annual Product Review (APR) wird übrigens von GMP-Inspektoren nicht als Ersatz für die Requalifizierung gesehen.
2. Beispiel Pharmawasser
Bei einem Wasser-System kommt es aber schon zu einer ersten Abwandlung. Im Rahmen der (Erst-)Qualifizierung verschwimmen die Begriffe Qualifizierung und Validierung. Üblicherweise werden bei der Leistungsqualifizierung (PQ) sogenannte Wasserfahrten durchgeführt, d.h. die Anlage wird statt mit Produkt mit einem Ersatzstoff betrieben, häufig Wasser. Spätestens in der sich anschließenden Validierung muss dann das tatsächliche Produkt eingesetzt werden. Bei einer Wasser-Anlage ist das hergestellte Produkt natürlich Wasser. Somit wird die PQ, zumindest der spätere Teil, auch als Validierung angesehen. Die schon vor vielen Jahren von der FDA beschriebene Qualifizierung in drei Phasen ist hier der Industriestandard, wobei sich die Phasen in der Häufigkeit der Probenahme und der Anzahl Probenahmestellen unterscheiden. Der gesamte Umfang der Qualifizierung zieht sich bis zu einem Jahr, um zu beweisen, dass saisonal bedingte Schwankungen der Eingangswasserqualität sowie verschiedene Betriebszustände keinen Einfluss auf die Qualität des erzeugten Wasser haben.
Eine Requalifizierung ist nach Änderungen am Wasser-System durchzuführen, insofern die Änderung einen Einfluss auf den qualifizierten Zustand der Anlage haben kann. Ob dies der Fall ist, sollte sich aus der im Rahmen der Qualifizierung erstellten Risikoanalyse ersehen lassen. Diese Entscheidungsfindung sollte über das Change Control System abgewickelt werden, um auch später nachvollziehen zu können, warum z.B. keine Qualifizierungstests notwendig waren oder warum welche Requalifizierungstests festgelegt worden sind.
Die Requalifizierung besteht dann in der Regel aus den Tests, die schon im Rahmen der Erstqualifizierung für den betroffenen Anlagenteil gezeigt haben, dass die Anlange korrekt funktioniert. Sollte ein Risiko für die gesamte Anlage bestehen, muss die gesamte Qualifizierung wiederholt werden, wobei hier die Qualitätssicherung entscheiden muss, ob tatsächlich alle Phasen durchlaufen werden müssen. Der Austausch des Wassertanks gegen einen Tank einer anderen Größe wird vermutlich die gesamte Anlage betreffen - der Einbau eines zusätzlichen Ventils vermutlich nur den davon betroffenen Teil der Anlage. Ob jahreszeitliche Effekte zu erwarten sind, muss im Einzelfall bewertet werden.
Die periodisch wiederkehrende Requalifizierung sollte, wie bereits beschrieben, die Änderungen, Abweichungen und Logbuch Betrachtungen beinhalten, wie auch eine Übersicht über die Spezifikationspunkte: Mikrobiologie, TOC, Leitfähigkeit, etc.
Das Monitoring erfolgt teilweise kontinuierlich (z.B. bei online TOC und Leitfähigkeitsmessungen) oder diskontinuierlich durch Probenahme an festgelegten Probenahmestellen anhand eines Probenahmeplans (z.B. Mikrobiologie oder auch TOC/LF, falls es keine kontinuierliche Messung im System gibt).
3. Beispiel Reinraum
Bei Reinräumen erfolgt die Qualifizierung ebenfalls nach dem Bau oder Umbau. Qualifiziert werden die Lüftungsanlage als auch die Räumlichkeiten selbst (z.B. Verifizierung der Oberflächen von Wänden, Beleuchtung, etc.), wobei die Qualifizierung der Lüftungsanlage in der Regel sehr viel umfangreicher ist.
Auch die Qualifizierung der Lüftungsanlagen erstreckt sich über einen längeren Zeitraum, um auch hier saisonale Schwankungen (Temperatur/Feuchte/Partikelfracht der angesaugten Außenluft) abzudecken. Bauliche Veränderungen bedingen ebenfalls eine Requalifizierung, insofern diese Einfluss auf die Qualität bzw. den qualifizierten Status haben.
Spätestens in der PQ kommt eine weitere Begrifflichkeit hinzu: die Klassifizierung, bzw. Reinheitsklassifizierung. Die Klassifizierung ist Bestandteil der Qualifizierung und soll aufzeigen, dass die in Annex 1 hinsichtlich Luftpartikelkonzentration definierten Reinheitszonen auch tatsächlich erreicht werden, sowohl in operation als auch at rest. Die Klassifizierung, auch Bestandteil der Abnahmeprüfungen, ist gemäß ISO 14644-1 durchzuführen, die Partikelgrenzwerte gibt der Annex 1 vor. Weitere Qualifizierungstests oder -prüfungen sind z.B. die Erholzeit, Filterlecktests oder auch die Luftgeschwindigkeit in laminaren Klasse A Zonen. Für den GMP-Bereich ist stets der Annex 1 das Vorgabedokument, bei widersprüchlichen Aussagen schlägt dieser sozusagen Aussagen aus den ISO Standards. Ebenfalls Teil der Qualifizierung ist eine mikrobiologische Überprüfung von Oberflächen und der Keimkonzentration in der Luft auf Einhaltung der Spezifikationen gemäß Annex 1, sozusagen eine mikrobiologische Klassifizierung. Die Anforderungen des Annex 1 sind aber nur für die Herstellung steriler Arzneiformen, also die Zonen A-D, verbindlich.
Eine Frage, die oft gestellt wird ist, welche dieser Messungen regelmäßig zu wiederholen sind, bzw. wie oft und in welchem Umfang eine Requalifizierung erfolgen muss. Wie bereits in Kapitel 1 erläutert ist zwar eine Requalifizierung erforderlich, diese bedarf aber keine Wiederholung von Messungen sondern kann durch Auswertung der Betriebs- bzw. Monitoringdaten erfolgen, ausgenommen natürlich Requalifizierung nach Änderungen. Anders als beim Thema Wasser (siehe 2) sind aber in Reinraumbereichen sehr wohl wiederkehrende Messungen (analog der Qualifizierung) erforderlich. ISO 14644-1-3 bzw. die Anhänge geben hierüber Aufschluss: so ist z.B. die Raumklassifizierung (je nach Zone) alle 6 oder 12 Monate zu wiederholen, die Lecktests spätestens nach 24 Monaten, ebenso die Erholzeitmessung. Da die Anwendung der ISO 14644 Reihe im Annex 1 gefordert ist, gelten diese Anforderungen streng genommen nur für Sterilbereiche (Zonen A-D). Problematisch wird es, wenn es darum geht, diese wiederkehrenden Prüfungen zu benennen. In der ISO Welt wird gerne von Qualifizierungs- oder Requalifizierungsmessungen gesprochen. Das ist aber nicht ganz korrekt, müsste hierzu doch, wie in der GMP-Welt üblich, ein Qualifizierungsplan existieren, mit einem analogen Freigabeprozedere wie in der ursprünglichen Qualifizierung. Teilweise ist an dieser Stelle auch von Monitoring die Rede, besser noch technisches Monitoring. Möglich wäre aber auch, von Anlagen-Verifizierung oder -Revision zu sprechen. Auch der Ausdruck "Periodic Performance Evaluation" wird verwendet. Vielleicht ist das eine Optimierungsmöglichkeit für die Überarbeitung des Annex 15, hier klare Definitionen vorzugeben.
Das Monitoring von Reinräumen ist recht umfangreich. Neben den naheliegenden Größen: Partikel-Konzentration in der Luft und Mikrobiologie von Oberflächen und Luft, werden auch die Differenzdrücke zwischen verschiedenen Reinraumzone, die Temperatur, ggf. die rel. Luftfeuchte und die Luftgeschwindigkeit unter Laminar Flow (A) Bereichen gemonitort. Das Monitoring kann kontinuierlich oder diskontinuierlich sein. Ein permanentes Monitoring ist lediglich für Partikel in den Reinraumzonen A und B vorgeschrieben. Dieses ist gemäß ISO 14644-2 durchzuführen. Das Monitoring der Druckdifferenz zwischen zwei verschiedenen Reinheitsklassen hat ebenfalls kontinuierlich zu erfolgen, zumindest in nach Annex 1 klassifizierten Zonen für Herstellung steriler Produkte. Für z.B. die Feststoffproduktion (Tabletten) gibt es keine Vorgaben, diese müssen durch den Hersteller selbst festgelegt werden. Das Mikrobiologische Monitoring ist nur offline möglich, während eines Abfüllprozesses in Klasse A über z.B. sogenannte settle plates aber quasi kontinuierlich. Das Heranziehen von Partikelmesswerten der Luft zur Beurteilung der mikrobiologischen Güte ist nicht hinreichend möglich.