Rat der Europäischen Union verabschiedet Direktive zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen! Weitreichende Konsequenzen für die Hersteller und Verbraucher von pharmazeutischen Wirk- und Hilfsstoffen sind zu erwarten.

Am 27. Mai 2011 hat der Rat der Europäischen Union die Direktive zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen verabschiedet. Die Veröffentlichung im Europäischen Amtsblatt steht nun unmittelbar bevor. Die neue Direktive enthält wesentliche Änderungen hinsichtlich der GMP/GDP-Regelungen für Wirkstoffe und Hilfsstoffe, die für die Arzneimittelherstellung verwendet werden. Dies hat bedeutende Konsequenzen für die Industriebranchen, die mit diesen Stoffen zu tun haben.

Auf der 4. GMP-Konferenz am 19./20. Mai 2011 in Heidelberg erläuterte Frau Julie Maréchal-Jamil vom Europäischen Verband der Generikahersteller EGA (European Generic Medicines Association) in Brüssel in ihrem Vortrag die wichtigsten Änderungen für pharmazeutische Wirk- und Hilfsstoffe, die mit dieser Direktive und ihrer Umsetzung in nationales Recht kommen werden. Die offenen Fragen und Kritikpunkte im Zusammenhang mit den künftigen GMP/GDP-Anforderungen für diese Stoffe wurden vorgestellt und lebhaft diskutiert:

  • Die Direktive fordert für Wirkstoffe, die aus nicht EU-Ländern in die EU importiert werden, eine schriftliche Bestätigung der Übereinstimmung mit den GMP-Regeln der EU. Diese Bestätigung ist von der zuständigen Behörde des exportierenden Landes auszustellen. Dazu gibt es 2 Ausnahmeregelungen:
    1. Das exportierende Land steht auf der Liste "gleichwertiger" Länder ("equivalent countries"; d.h. Länder mit GMP-Regeln, die mit EU-GMP vergleichbar sind).
    2. Es liegen außergewöhnliche Umstände vor, z.B. ein Engpass in der Verfügbarkeit bestimmter Medikamente. In diesem Fall wird die Ausnahme nur gewährt, wenn ein EU-Zertifikat vorliegt, das nicht älter ist als 3 Jahre und die Europäische Kommission informiert ist.

    Kritikpunkte/Empfehlungen:
    - Für diese schriftliche Bestätigung ist weder ein Format noch ein Gültigkeitszeitraum definiert. Empfehlenswert wäre ein Format in Anlehnung an die GMP-Zertifikate für exportierende Wirkstoffbetriebe mit einem Gültigkeitszeitraum von 3 Jahren. Diese Bestätigung sollte in der Eudra GMP-Datenbank hinterlegt werden.
    - Der Entscheidungsprozess für die Gewährung einer Ausnahmeregelung sollte transparent sein.
    - Der Nachweis der Gleichwertigkeit anderer Länder sollte mit bereits vorhandenen Initiativen wie z.B. dem PIC/S geführt werden.
    - Der intensive Dialog auf regulatorischer Ebene mit den wichtigsten Wirkstoff exportierenden Ländern, die nicht der EU angehören (Indien, China, Türkei, Mexiko, Südkorea und Taiwan) sollte höchste Priorität haben. Dadurch würde das Bewusstsein für die künftigen Anforderungen und Regelungen der Europäischen Union rechtzeitig geweckt und die damit verbundenen Abläufe und Prozesse würden bei Inkrafttreten dieser neuen Regelungen bereits greifen. Dies käme dem Schutz der Patienten und ihrer Versorgung mit sicheren Arzneimitteln zugute.
  • Eine Registrierung aller Aktivitäten in der Europäischen Union im Zusammenhang mit pharmazeutischen Wirkstoffen wird künftig Pflicht für Hersteller, Importeure, Distributoren und Händler. Diese Registrierung wird vor Beginn der beabsichtigten Aktivität nach Ablauf einer 60-Tage-Frist von der jeweiligen zuständigen Behörde des Herstellers, Importeurs oder Händlers vorgenommen. Eine jährliche Anzeige von Änderungen wird ebenfalls Pflicht. Qualitäts- oder sicherheitsrelevante Änderungen sind unverzüglich zu melden.
    Die Verantwortlichkeiten der Qualified Person des Arzneimittelherstellers werden erweitert. Die QP wird sowohl die Registrierung der Wirkstoff-Aktivitäten als auch die Sicherheit, Qualität und Authentizität von Wirkstoffen und Hilfsstoffen durch Audits verifizieren müssen. Datum und Ergebnisse dieser Audits sind in der "QP Declaration" aufzuführen. Ferner hat die QP Verdachtsfälle in Bezug auf gefälschte Arzneimittel oder Ausgangsmaterialien ihrer zuständigen Behörde zu melden.

    Kritikpunkte/Empfehlungen:
    - Die Registrierung sollte auf einer formalisierten EU-weit harmonisierten Vorlage erfolgen. Das gleiche gilt für das Änderungsprozedere für Wirkstoffaktivitäten und die entsprechenden Änderungsmeldungen.
    - Das Meldeprozedere sollte für Firmen mit mehreren Standorten in der EU entsprechend angepasst werden um Doppelarbeit zu vermeiden.
    - Es sollte eine öffentlich zugängliche Datenbank für Inspektionsergebnisse eingerichtet werden.
  • Der Fertigarzneimittelhersteller wird verantwortlich sein für die Durchführung einer formalisierten Risikoabschätzung um die GMP-Anforderungen der für die Arzneimittelherstellung verwendeten Hilfsstoffe festzusetzen. Hierbei sind vor allem die ursprüngliche Herkunft der Hilfsstoffe, ihr Verwendungszweck sowie evt. zuvor aufgetretene Qualitätsmängel zu berücksichtigen.

    Kritikpunkte/Empfehlungen:
    - Die noch zu erstellenden und von der EU-Kommission zu verabschiedenden Richtlinien zur formalisierten Risikoabschätzung sollten den aktuellen methodischen Stand der Durchführung von Risikoanalysen widerspiegeln und auch den Kostenaspekt berücksichtigen.

Die Direktive zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen wurde am 16. Februar 2011 vom Europaparlament und am 27. Mai 2011 vom Rat der Europäischen Union verabschiedet. Nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union ist sie von den EU-Mitgliedstaaten innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umzusetzen.

Die in dieser Direktive formulierten Regelungen stellen mit Sicherheit eine große Herausforderung dar. Wirkstoffhersteller in vielen nicht EU-Staaten, die Hersteller pharmazeutischer Hilfsstoffe, Großhändler, Zwischenhändler, Makler, Lieferanten etc. und selbstverständlich die pharmazeutische Industrie wird sich in naher Zukunft diesen Herausforderungen stellen müssen. Es ist von entscheidender Bedeutung, auf diese neue Situation rechtzeitig und gut vorbereitet zu sein.

Zur weiteren Information lesen Sie bitte auch die Pressemitteilung des Rates mit der Ankündigung der Verabschiedung der Direktive.

Nachfolgend finden Sie noch weitere wichtige Dokumente:

- die derzeit gültige Direktive 2001/83/EC
- den endgültigen Direktivenentwurf und letzte Änderungen an diesem Entwurf vom 12. April 2011. Dies wurde am 27. Mai 2011 vom Rat der Europäischen Union verabschiedet. Hier finden Sie noch die offizielle Erläuterungen zu den letzten Änderungen am Direktivenentwurf.

 

Autoren:
Dr. Gerhard Becker
CONCEPT HEIDELBERG

und

Julie Maréchal-Jamil
Sr Manager Quality & Regulatory Affairs
EUROPEAN GENERIC MEDICINES ASSOCIATION

 

Hinweise:
In den Kursen "ICH Q7 Compliance for APIs Manufactured by Chemical Synthesis/Cell Culture/Fermentation" vom 27.-29. Juni 2011 in Wien wird ausführlich GMP für Wirkstoffe behandelt. Im anschließenden "ICH Q7 Auditor Training Course" vom 29. Juni - 1. Juli 2011 in Wien (Wiederholung vom 26.-28. Oktober 2011 in Heidelberg) lernen Sie die professionellen Kommunikationstechniken für ein erfolgreiches Audit kennen und können im Zusammenhang mit den vorangegangenen Kursen das APIC Auditor Zertifikat erwerben.

Im Seminar "GMPs for Excipients" vom 27.-28. September 2011 in Barcelona erhalten Sie Informationen aus erster Hand zu Risikoanalysen für pharmazeutische Hilfsstoffe und dem neuen Zertifizierungsschema "Excipact".

Auf der Veranstaltung "The new Pharma Directive" vom 5.-6. Oktober 2011 in Berlin erfahren Sie, wie die neuen Bestimmungen der Direktive die nationalen gesetzlichen Regelungen beeinflussen wird.

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