Umgang mit computergestützten Systemen im GDP-Umfeld - Konsequenzen aus der neuen GDP-Richtlinie
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Am 8. März wurde im Amtsblatt der Europäischen Union die neue GDP-Richtlinie mit dem Titel "Leitlinie für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (2013/C68/01)" vom 7. März 2013 veröffentlicht und löste damit die seit 1994 bestehende Version ab. Mit einer Umsetzungsfrist von sechs Monaten ist sie am 8. September 2013 in Kraft getreten. Mit Datum vom 5. November 2013 wurde eine korrigierte Fassung der Richtlinie (2013/ C 343/01) publiziert.
Die alte GDP Richtlinie (94/C 63/03) enthielt keine speziellen Anforderungen an computergestützte Systeme im GDP-Umfeld. Die neue Richtlinie hingegen enthält einen Abschnitt, 3.3.1. Computergestützte Systeme", der Anforderungen an die Inbetriebnahme und die Betriebsphase formuliert.
Wenn man bedenkt, dass der Annex 11 zum EU GMP-Leitfaden konkrete Anforderungen für computergestützte Systeme im GMP Umfeld bereits im Jahr 1992 formuliert hat und die PIC Anforderungen an computergestützte Systeme im GxP Umfeld, also auch GDP, bereits 2003 vorgegeben hat, war die Überarbeitung der GDP Richtlinie bezogen auf dieses Thema überfällig.
Der allgemeinen Systematik in den GMP-Regularien folgend, wäre auch ein Hinweis auf Annex 11 des EU GMP-Leitfadens möglich gewesen. Stattdessen wurden einzelne Aspekte des Annex 11 als Anforderung in die GDP-Richtlinie übernommen.
Aus Sicht des Patienten und der Arzneimittelsicherheit ist es nicht nachvollziehbar, dass ein Herstellungserlaubnisinhaber, der seine Fertigarzneimittel in einem ggf. automatisierten Kühllager lagert, dieses - inklusive der hierbei eingesetzten computergestützten Temperatursteuerung und -überwachung - qualifizieren und validieren muss, jedoch an den Großhändler, der das gleiche Fertigarzneimittel lagert, diese Anforderungen nicht gestellt werden. Diese Qualitätslücken hat man nun mit der neuen GDP-Richtlinie geschlossen.
"Bevor ein computergestütztes System in Betrieb genommen wird, sollte durch eine geeignete Validierung oder durch Verifikationsstudien nachgewiesen sein, dass das System in der Lage ist, die gewünschten Ergebnisse genau, kontinuierlich und reproduzierbar zu erreichen." Dieses ist eine zentrale Anforderung der neuen GDP-Richtlinie. Aus dieser Formulierung lässt sich m.E. nicht schlussfolgern, dass Altsysteme und im Besonderen alle computergestützten Systeme, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der GDP-Richtlinie in Betrieb waren, nicht validiert oder verifiziert werden müssen. Allein aus der Tatsache, dass sie betrieben wurden, lässt sich nicht zwingend schlussfolgern, dass die gewünschten Ergebnisse genau, kontinuierlich und reproduzierbar erreicht werden. Bzgl. der in Betrieb befindlichen "Altsysteme" würde man zumindest eine Gap-Analyse zu den aktuellen Anforderungen sowie eine Risikobewertung der Abweichungen erwarten, und - sofern erforderlich - Validierungsaktivitäten, um das Risiko zu verringern und compliant zu den gesetzlichen Anforderungen zu sein.
Eine weitere Anforderung der GDP-Richtlinie, die aus dem Annex 11 zum EU GMP-Leitfaden bereits bekannt ist, ist die Forderung nach einem sogenannten Inventory, einer schriftlichen, detaillierten Beschreibung des Systems, welche die Grundlagen, Ziele, Sicherheitsmaßnahmen, den Erfassungsbereich und die wichtigsten Funktionalitäten des Systems beschreibt. Bei der Erstellung der Systembeschreibung ist zu klären, welche Systeme in diesem Zusammenhang gemeint sind. Annex 11 definiert den Begriff computergestütztes System wie folgt: "Alle Arten von computergestützten Systemen, die als Bestandteil von GMP-pflichtigen Vorgängen eingesetzt werden. Ein computergestütztes System ist eine Kombination aus Software- und Hardwarekomponenten, die zusammen bestimmte Funktionen erfüllen". Dieses würde analog bedeuten, dass computergestützte Systeme, die für GDP-pflichtige Vorgänge eingesetzt werden, die unter Punkt 3.3.1 gelisteten Anforderungen erfüllen müssen.
Beispielhaft sind das Systeme zur Temperatursteuerung und -überwachung, Zugangskontrollsysteme, Systeme zur Chargenrückverfolgung und zur Warenwirtschaft sowie Pick and Pack Systeme. Der Erlaubnisinhaber sollte eine Verfahrensanweisung implementiert haben, die Kriterien formuliert, die eine Unterscheidung zwischen GDP bzw. non-GDP Systemen ermöglicht. Die Kriterien können im Rahmen eines Fragenkatalogs abgeprüft werden.
Weitere Anforderungen beziehen sich auf die Dateneingabe: "Daten sollten nur von hierzu befugten Personen in das computergestützte System eingegeben oder geändert werden." Hier wird ein Nutzerkonzept für GDP-kritische Systeme erwartet, d.h., dass den Nutzern Rollen zugewiesen werden, die ihren Fähigkeiten und ihrem Aufgabengebiet bzw. ihrer Stellenbeschreibung entsprechen. Die Erteilung, Änderung und der Entzug von Rechten sollten in Verfahrensanweisungen beschrieben werden, denen entsprechende Protokolle zugeordnet werden können.
Die Verfügbarkeit und Integrität der GDP-kritischen Daten muss durch den regulierten Nutzer sichergestellt werden. Back-up-Strategien sollten definiert werden und deren Funktion regelmäßig im Rahmen von Testszenarien überprüft werden. Die Mindestverfügbarkeit ist mit 5 Jahren angegeben. Interessant sind Konstellationen, bei denen Daten, z.B. zur Temperatur während des Transports, durch den Großhändler beim Transportlogistiker abgerufen werden müssen. In diesen Fällen gelten die gleichen Anforderungen und der Erlaubnisinhaber hat sicherzustellen, z.B. durch entsprechende Anforderungen, die im Dienstleistungsvertrag formuliert sind, und zu verifizieren (z.B. durch ein Audit), dass der Dienstleister die GDP-Anforderungen erfüllen kann.
Für den Fall eines Systemzusammenbruchs sind Ausfallszenarien festzulegen und zu überprüfen, die sicherstellen, dass kritische Prozesse in angemessenen Zeiträumen fortgeführt werden können. Kritische Daten in diesem Zusammenhang sind z.B. Vertriebsdaten, die für einen Arzneimittelrückruf benötigt werden.
Die neue GDP-Richtlinie formuliert Anforderungen an die Einführung und den Betrieb von computergestützten Systemen, die den GMP-regulierten Unternehmen wohl bekannt sind, aber für viele Großhändler eine Herausforderung und ein Umdenken bedeuten.
Autor:
Dr. Arno Terhechte
Bezirksregierung Münster