Validierung - Revision des Annex 15: Was "drückt" die Industrie - Ergebnisse einer ECA-Industrie-Umfrage

Mit der Veröffentlichung eines Entwurfs zur Revision des Annex 15 Anfang Februar 2014 kommt auch in Europa "Bewegung" in die GMP-Anforderungen zur Validierung und Qualifizierung. Änderungen, hauptsächlich zum Thema Prozessvalidierung, kennen wir in Form der neuen FDA Guidance on Process Validation schon seit Anfang 2011 aus den USA. Aber auch die Änderungen, die sich durch die Revision des Annex 15 ergeben könnten, sind nicht zu unterschätzen. Wie die Industrie diese möglichen Änderungen einschätzt und welche Unsicherheiten bzgl. des Revisionsentwurfes bestehen, hat die ECA Stiftung in einer Umfrage ermittelt. Nachfolgend ein Fazit zur Auswertung der Umfrage:

Insgesamt nahmen 116 Personen an der Umfrage teil. Allerdings wurden nicht alle Fragen auch von allen beantwortet. Aber eben auch das Überspringen einiger Fragen ist eine Aussage und lässt Raum für Interpretation. Fast 50% (45,2%) der Teilnehmer an der Umfrage kommen von Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, immerhin fast 1/3 (32,3%) kommt auch aus Firmen, die weniger als 100 Mitarbeiter umfassen (s. Abbildung 1).

Abbildung 1: Verteilung der Umfrage-Teilnehmer nach Firmengröße

Insgesamt 68,9% der Teilnehmer sind in der pharmazeutischen Industrie beschäftigt. 13,1% der Teilnehmer kommen aus der wirkstofferzeugenden Industrie (chemische und biotechnologisch erzeugte Wirkstoffe). Die überwiegende Anzahl der Teilnehmer (61%), die ihre Funktion innerhalb ihres Unternehmen angaben, kommen aus dem "Quality"-Bereich. Jeweils annähernd 10% (9,2%) kommen aus Validierungsfunktionen oder sind Consultants. Soviel zu den demographischen Daten.

Die erste Frage behandelte das Thema "ongoing validation strategy", die im Validierungsmasterplan laut Entwurf beschrieben sein sollte. Hier lautete die Frage, ob es mehr Erläuterungen zu diesem Begriff geben sollte. Mehr als die Hälfte (51,3%) der Personen, die antworteten, bejahten diese Frage. Rund 1/3 (34,5%) benötigen keine weiteren Erläuterungen. 10 Personen, die mit "Ja" geantwortet hatten, konkretisierten ihr "Ja". Einige Antworten waren: Ein fertiges Format einschließlich Inhaltsverzeichnis; einige Rahmenbedingungen bzgl. des Detailierungsgrades würde hilfreich sein; spezifiziere Minimal-Anforderungen; mehr Details; ist das Revalidierung oder  "traditionelles" Trending? - wo endet ein jährlicher Produkt-Qualitäts-Bericht und wo beginnt die "ongoing validation strategy"?;  es ist unklar ob der Begriff sich auf  eine zukünftige Change Control- und Revalidierungs-Strategie bezieht oder ob er sich - teilweise oder komplett - auf "ongoing process verification" bezieht; mehr Klarheit über die Akzeptanz - da alle schon eine "ongoing validation strategy" in unterschiedlicher Weise nutzen; eine Ausdehnung auf Verifizierungen ist notwendig - mit der Ausnahme von Altsystemen; Ein weiterer Kommentar regte an, dass der Annex 15 eine SOP für eine "ongoing validation strategy" fordern sollte.

Auf die Frage 2, ob eine vorläufige Freigabe mit einer schriftlichen Begründung bei Abweichungen im Rahmen einer Validierung/Qualifizierung möglich sein sollte, antworteten 62,2% mit ja (wenn das durch die Qualitätssicherung freigegeben wird). Weitere 20,3% würden das Vorgehen nur in "Ausnahmefällen" akzeptieren. 13,5% sehen es als gute Idee an. Lediglich 4,1% würden dieses Vorgehen nicht erlauben.

Auf die Frage 3, wie die neuen Forderungen nach Abnahme- und Inbetriebnahme-Tests im Rahmen der Anlagen-Qualifizierung gewertet wird, antworteten 57,7%, dass sie es nur für neue, komplexe Ausrüstung nutzen würden. 19,7% würden es für sämtliche neue Ausrüstung nutzen. Als sehr gute Idee werten es 18,3%, lediglich 4,2% sehen diese Tests als nicht notwendig an.

Zum Entfall des Kapitels Altanlagen-Qualifizierung (Frage 4) erwarten mehr als 50% (53,6%) eine weitergehende Erläuterung. Fast 1/3 (29%) wünscht sich das Kapitel sogar zurück. 17,4% hingegen halten das Wegfallen für eine sehr gute Idee.

Auf die Frage 5, ob Alternativen (z. B. ASTM E 2500) zur Anlagenqualifizierung im Entwurfsdokument wünschenswert wären, antworteten 54,3% " aktuell nicht klar"Das mag vielleicht daran liegen, dass ASTM E 2500 nicht so sehr in Europa bekannt ist. 28,6% antworteten mit "Nein" und 17,1% mit "Ja".

Auf die Frage 6, wie die Tatsache, dass die 3-Chargen-Validierung weiterhin erwähnt ist, gesehen wird, antworteten 39,1%, dass dies weitere Erklärungen bedürfe. 30,3% sind "froh" darüber, dass dies der Fall ist. In  etwa gleich viele Beantworter wünschen sich, dass auch 1 Charge als ausreichend angesehen werden könnte (14,5%) oder möchten ein Wegfallen der Erwähnung der 3-Chargen-Validierung (15,9%), um Verwirrung zu vermeiden (s. Abbildung 2). 

 

Abbildung 2: Verteilung der Antworten zur 3-Chargen-Validierung

Auch auf die Frage 7  (Verstehen Sie den Begriff Hybrid-Ansatz?) "antworteten 45,6,% " aktuell nicht klar",. 33,8% antworteten mit "Ja" und 20,6% mit "Nein. Von den 3 Teilnehmern, die auf die Frage "Welche Klärungen benötigen Sie?" antworteten, kommentierten 2 Teilnehmer mit der Bitte, um Beispiele und mehr Spezifität bzw. es wird die Frage gestellt, wann der Hybrid-Ansatz ausreichend sei, um Chargen freigeben zu können?

Die Möglichkeit einen Klammer-Ansatz ("Bracketing") bei der Prozessvalidierung zu wählen (Frage 8) sieht die überwiegende Mehrheit der Beantworter positiv. Für 56,7% ist es eine gute Idee, wenn der Ansatz entsprechend gut begründet ist, 28,4% finden die Idee sogar sehr gut. 10,4% würden den Ansatz nur in Ausnahmefällen nutzen und 4,5% würden den Ansatz sogar verbieten (s. Abbildung 3).

 

Abbildung 3: Verteilung der Antworten zur Möglichkeit eines Klammer-Ansatzes ("Bracketing") 

Die Antwort auf die Frage 9, ob die Unterschiede zwischen "continuous process verification" und "ongoing process verification" verstanden werden, beantworteten 52,2% mit "Nein", aber fast gleich viele (47,8%) auch mit "Ja".  Einige Kommentare derjenigen, die mit "Nein" geantwortet haben, lauten: Klare Definitionen/Erwartungen, was gemeint ist (4x);  meint das Gleiche (2x); ferner wurde die Einbindung einer Übersicht und einzelner Schritte für jeden (der beiden) Prozesse im Annex 15 gewünscht; es ist nicht klar, wie Material, das im Rahmen einer "continuous process verification" freigegeben wurde, revalidiert werden kann, war ebenfalls ein Kommentar .

Auf die Frage 10 "Schätzen Sie die Einbindung der Kapitel Verifizierung des Transports und Validierung von Verpackungsvorgängen in den Annex 15" antworteten 76,9% mit "Ja" und nur 9,2% mit "Nein". Für 13,8% ist die Fragestellung aktuell noch nicht klar.

Die Frage 11 "Würden Sie mehr als das PDE-Akzeptanzkriterium bei einer Reinigungsvalidierung (z. B. 10 ppm) bevorzugen?" ergab ein interessantes Ergebnis. Relativ vergleichbar antworteten 37,5% mit "Ja", 32,8% mit "Nein" und für 29,7% ist die Fragestellung aktuell noch nicht klar. Die Kommentare derjenigen, die mit "Ja" anworteten und ihre Antwort spezifizieren sollten, lassen sich nur schwer "clustern". Als weitere Akzeptanzkriterien wurden z. B. Tox.-Studien, pharmakologische Studien aber auch geeignet begründete organoleptische Tests genannt.  Mehrfach wurde der Wunsch geäußert, dass auch die Nutzung des 10 ppm oder eines Dosierungs-Akzeptanzkriterium weiterhin möglich sein sollte. Ein Kommentar plädierte für den niedrigsten Wert nach der Berechnung von quantitativ sichtbar sauber, 10 ppm,- und 1/1000 Dosis-Kriterium. Es kam auch der Wunsch auf zu klären, woher die NOEL-Daten kommen sollen, da bei vielen aktuellen Wirkstoffen keine Informationen über die Faktoren F1-5 bekannt sind. Ein Kommentator wünschte, dass im Annex 15 klar herausgestellt wird, dass sich Reinigungsvalidierung nur auf produktberührende Ausrüstungs-Teile bezieht. Ferner wurde der Wunsch nach einer Klärung zwischen Akzeptanzkriterium und Routine-Kriterien geäußert. Ein Kommentar lautete: PDE-Daten sind nicht immer verfügbar, dann sollten 10 ppm- oder Dosiskriterium möglich sein. Ein interessanter Beitrag regte an, dass bei Nutzung des PDE-Konzeptes dann auf die Validierung des Reinigungsmittels verzichtet werden kann, wenn "EU-zertifiziertes" Reinigungsmittel für Haushaltszwecke eingesetzt wird.

Auf die Frage 12, ob eine klare Aussage über die Anzahl an Reinigungsvalidierungs-Läufen bevorzugt würde, bejahten dies 63,1% , 26.2% verneinten die Frage und für 10,8% lautete die Aussage aktuell noch nicht klar.  

Die vorletzte Frage 13 behandelte den Wunsch nach einem stärkeren Abgleich mit der FDA Prozessvalidierungs-Leitlinie. Diesen Wunsch beantworteten 60,9% mit einem "Ja", 20,3% verneinten dies und für 18,8% ist dies derzeit noch nicht klar. Einige Kommentare von denjenigen, die mit  "Ja" geantwortet haben, lauten: es sollte mehr Details zu den Stufen 1,2 und 3 geben ;ein statistischer Ansatz ist notwendig - 3 Chargen sind nicht genug; eine einzige Leitlinie, die US und EU-Vorgaben abdeckt (oder zwei identische) wäre sehr schön. Ein Kommentar wünschte mit Blick auf einen weltweiten Vertrieb sogar neben einer Harmonisierung mit der FDA dies auch für die KFDA, Japan, Anvisa etc. (Vermeidung  von Zusatz-Validierungsarbeit). Traditioneller und der Hybrid-Ansatz sollte vollständig entfallen; mehr Klarheit bzgl. den Erwartungen an Statistik und Terminologie (Stufe 1-3) würde die Harmonisierung deutlich erleichtern; würde mir mehr Abstimmung wünschen.

Sehr interessant ist die Antwort auf die letzte Frage (Nr. 14) wie der Entwurf generell bewertet wird:

Abbildung 4: Generelle Bewertung des Entwurfs

Wünsche nach Verbesserungen gibt es nicht so sehr viele. Nachfolgend einige Kommentare zu diesem Thema: Wenig ist klar - viele Versprechungen seit Jahren - immer wieder Revisionen - und nun Prozessvalidierungs- und Reinigungsvalidierungs-Überraschungen - diese Schlüsselelemente werden wieder für Unstimmigkeiten und Diskussionen sorgen - anstatt einer Harmonisierung driften wir auseinander; eine allgemeine und heterogene Mischung aus alten und neuen Konzepten (mehr Abgleich mindestens mit der FDA-Leitlinie); mehr Hintergrundinformationen wie man die PDE-Werte erreicht; das 3-Chargen-Konzept ist für die traditionelle Prozessvalidierung genannt aber nicht für die Reinigungsvalidierung - keine Einbindung des ASTM-Verifizierungs-Lebenszyklus - keine Alternativen zur Anlagenqualifizierung; mehr Abstimmung mit der FDA-Leitlinie; klarere Definitionen in jedem Kapitel. Ausdrücklich angesprochen wurde noch das Kapitel 1.5 von einem Kommentator. Er bemängelt, dass Akzeptanzkriterien in einem Validierungsmaster-Plan, wenig sinnvoll sind, wenn der Master-Plan ein firmenübergreifendes Dokument ist - es sei denn es ist gemeint, wie der Umgang mit Abweichungen von Akzeptanzkriterien erfolgt. Ferner erläuterte der Kommentator, dass die Bewertung von Ressourcen nur in Form einer allgemeinen Übersicht  erfolgen könne, da dies projektabhängig ist. Und als letzten Punkt kommentierte der Teilnehmer, dass Materialbestätigungen in Plänen, nicht im Validierungsmasterplan aufgeführt würden. Es kam dann noch eine Frage zum Punkt 2.6 ("Änderungen") im Entwurf auf: Geht es um Änderungen bzgl. Akzeptanzkriterien oder um Schreibfehler/ zusätzliche Test? Warum würde eine wissenschaftliche Begründung ausreichen?

Fazit
Der Annex 15-Entwurf wird im Gesamten von den Teilnehmern der Umfrage überraschend positiv gesehen. Insgesamt 57,2% sehen das Dokument als sehr gut oder gut an. Immerhin noch 31,7% finden den Entwurf "befriedigend". Das überrascht doch etwas, da recht häufig der Wunsch nach mehr "Klarheit" und weiteren Erläuterungen/Beispielen von den Teilnehmern der Umfrage geäußert wurde.  Das betraf insbesondere die Punkte

  • "ongoing validation strategy"
  • Hybrid-Ansatz 
  • Unterschied continuous vs. ongoing process verification
  • Anzahl an Reinigungsvalidierungs-Läufen

Auch zum PDE-Konzept bei der Reinigungsvalidierung wurden mehr Details, Erläuterungen, Beispiele gewünscht - allerdings von geringeren Prozentsätzen ausgehend, im Vergleich zu den o.g. Punkten. Auch war die Fragestellung nach alternativen Akzeptanzkriterien zu PDE im Rahmen der Reinigungsvalidierung 30% Beteiligten derzeit (noch) nicht klar. Für Irritationen sorgt ebenfalls der Entfall des Kapitels Altanlagen-Qualifizierung. Hierzu werden von der überwiegenden Mehrheit der Personen, die geantwortet haben, weitergehende Erläuterungen gewünscht. Fast 1/3 wünscht sich das Kapitel sogar zurück.

Überwiegend positiv gesehen werden:

  • die Möglichkeit einer vorläufigen Freigabe bei Abweichungen im Rahmen von Validierungen/Qualifizierungen
  • die Möglichkeit eines Klammer-Ansatzes ("Bracketing") bei der Prozessvalidierung
  • die Einbindung der Kapitel Verifizierung des Transports und Validierung von Verpackungsvorgängen

Generell wurde ein größerer Abgleich (zumindest) mit der FDA Prozessvalidierungs-Leitlinie mit dem Ziel einer (weltweiten) Harmonisierung gewünscht.

Die ECA wird die Ergebnisse der Umfrage auch der EMA zur Information zur Verfügung stellen.

Details der Umfrage werden auch auf der Veranstaltung Annex 15 Update (QV 27), die am 24. Juni 2014 in Mannheim stattfinden wird, diskutiert werden.  

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