Welche Bedeutung hat das "should" bzw. "sollte" in dem GMP und GDP Guide?
Seminarempfehlung
26./27. November 2024
Wie werden Arzneimittel-Medizinprodukt-Kombinationen reguliert?
Immer wieder werden wir gefragt, welche rechtliche Bedeutung eine "should-" (auf Deutsch: "sollte") Formulierung in dem EU GMP und GDP Guide hat. Dort finden sich Formulierungen wie z.B.: "the process should be validated" oder "the personnel should be trained". Heißt das nun aber, dass diese Texte nur als unverbindliche Empfehlung zu verstehen sind? Oder ist das "should" als "must" zu interpretieren?
Wir haben dazu einen Experten befragt. Dr. Martin Wesch ist Fachanwalt für Medizinrecht und vielen Teilnehmern von Concept Heidelberg Seminaren als Referent bekannt. Er sagt:
"Wie fast immer im Recht kommt es darauf an: Darauf nämlich, ob die entsprechende Norm zwingenden oder empfehlenden Charakter hat. Das hängt von der Norm selbst ab. Verordnungen im europäischen Sinne gelten unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat. Richtlinien müssen erst in das nationale Recht umgesetzt werden. Zur Umsetzung dienen im Arzneimittelrecht besonders das AMG und die AMWHV. Dort gelten die meisten "shoulds" als "muss" (vgl. nur §§ 3 ff. AMWHV).
Nach § 3 Abs. 2 AMWHV ist bei der Auslegung der Grundsätze der Guten Herstellungspraxis der EG-GMP Leitfaden heranzuziehen. Der Leitfaden ist folglich für die deutschen Behörden verbindlich; für die Bürger - und Unternehmen - hat er jedoch lediglich empfehlenden Charakter, weil es sich europarechtlich nur um eine "Leitlinie" handelt (Anhalt/Lützeler in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, § 8 Rn. 34, und Dieners/Heil in Dieners/Reese, a.a.O., § 1 Rn. 78). In der Praxis führt das dazu, dass Behörden keine Abweichungen feststellen können, wenn sich ein Unternehmen an den Leitfaden hält. Ist das nicht der Fall, weicht also ein Unternehmen von Vorgaben des Leitfadens ab, kann die Behörde den Nachweis verlangen, dass die Gute Herstellungspraxis trotzdem erfüllt wird. Dieser Nachweis wird meist nicht gelingen. Insoweit wirkt dann das "should" des Leitfadens als "must". In der amtlichen Übersetzung des Leitfadens findet sich übrigens bunt gemischt beides, "sollte" und "muss" oder "hat".
Kurz: Das "should" im europäischen Arzneimittelrecht gilt grundsätzlich als "muss", also nicht nur als Empfehlung, sondern als zwingend. Wer meint, es auch anders zu können, muss dafür den Beweis erbringen. Das ist wie bei einer fehlenden Dokumentation als Beweismittel. Grundsätzlich kann ein Beweis auch durch andere Beweismittel gelingen (z.B. durch Zeugen, Inaugenscheinnahme oder Sachverständige). In der Praxis ist das aber meist nicht möglich."
Dr. jur. Martin W. Wesch, Kanzlei Wesch & Buchenroth, Stuttgart