WHO veröffentlicht Entwurf zur Prozessvalidierung

Mit der Datumsangabe April 2014 hat die WHO als Ergänzung zu Ihren GMP-Leitlinien einen Entwurf zur Überarbeitung des Annex 7 (Nichtsterile-Prozessvalidierung) veröffentlicht. Als Grund für die Überarbeitung wird der Abgleich mit aktuellen GMP-Anforderungen genannt. Erwähnt sind hier explizit Qualitätsrisikomanagement- und Quality by Design-Prinzipien mit Hinweisen auf WHO- und ICH-Vorgaben. Der Text richtet sich in erster Linie an nicht-sterile pharmazeutische Fertigprodukte. Eine sinngemäße Übertragung auf Wirkstoffe und Sterilia könnte aber auch möglich sein, so der Entwurf. Der Fokus einer Validierung liegt nun auch bei der WHO auf dem Prozessvalidierungs-Lebenszyklus, bestehend aus:

  • Produkt- und Prozessentwicklung
  • Validierung des kommerziellen Herstellungsprozesses

und dem

  • Aufrechterhalten des Prozesses im "state of control"

Ausdrücklich wird ein risikobasierter Ansatz und der Einsatz von in-line, online und/oder at-line Kontrollen empfohlen.

Insgesamt besteht der 16-seitige Entwurf aus 7 Kapiteln und den Referenzen: 

1. Hintergrund und Geltungsbereich
2. Glossar
3. Einführung
4. Prozess-Design
5. Prozess-Qualifizierung
6. kontinuierliche Prozessverifizierung
7. Änderungskontrolle
Referenzen

Glossar

Die Begriffe im Glossar sind teilweise nahezu wörtlich aus den ICH-Leitlinien und der FDA Prozessvalidierungs-Leitlinie übernommen. Auffällig ist, dass der Begriff Prozessvalidierung im Glossar noch nach alter Lesart ("documented evidence that a process...") aufgeführt ist. Es fehlt hier völlig der Bezug zum Lebenszyklus-Ansatz. Als Begriff taucht ein Matrix-Ansatz (matrix approach) auf, allerdings ohne weitergehende Erläuterungen.

Einführung

In der Einführung wird nochmals auf den neuen Ansatz mit Bezug auf kritische Schritte und Parameter hingewiesen.  Eine Risikobetrachtung sollte genutzt werden, um den Umfang von Schwankungen in den Ausgangsstoffen und beim Prozess selbst zu ermitteln. Ziel ist, dass ein Prozess unter Kontrolle ("under control") ist, bevor das Produkt auf den Markt geht. Wobei in dieser Passage noch gelb hinterlegt und "Clarify under control?" in Klammern zu finden ist.

Fließdiagramme werden im Rahmen einer Prozessvalidierung als sehr hilfreich empfohlen und können als Teil der Validierungsdokumentation auch ergänzt werden. Bei der Anwendung von Qualitätsrisikomanagement sollten auch die vor- und nachgeschalteten Schritte des Prozesses betrachtet werden. In der Einführung wird als Teil einer Validierung auch eine "process performance verification" genannt, ohne dass der Begriff näher erläutert ist.

Generell wird die Validierung jeder Dosierungsstärke gefordert, jedoch ist auch ein Matrixansatz auf Basis einer geeigneten Risikobetrachtung möglich. Der Begriff Matrix-Ansatz ist im Glossar aufgeführt, aber nicht erläutert (s.o.).  Auch die Ausdehnung der Validierung auf jeden Produktionsstandort sollte risikobasiert sein.  

Es wird in der Einführung ferner von verschiedenen Validierungsansätzen gesprochen. Unter traditioneller Prozessvalidierung fallen prospektive und begleitende Validierung. Des Weiteren wird auf den 3-Stufenprozess verwiesen (process design, process qualification, continued process verification) und eine Mischung aus traditioneller Prozessvalidierung und dem 3-Stufenprozess als Möglichkeit genannt. In einer Tabelle werden dann die verschiedenen Phasen des neuen Ansatzes noch einmal verdeutlicht. Die Prozessvalidierung mit ihren 3 Stufen begleitet quasi den gesamten Produkt-Lebenszyklus, wie auch Change Control und GMP im Allgemeinen.

Prozessdesign

Im Kapitel Prozess-Design wird darauf hingewiesen, dass sich der Validierungs-Fokus im Rahmen des Lebenszyklus-Ansatzes nun auch auf die Entwicklung bezieht. Unter Prozess-Design versteht der Entwurf: Design of Experiments-Versuche, Prozess-Entwicklung, Klinikmusterfertigung, Pilot-Chargen und den Technologie-Transfer. In der Stufe Prozess-Design sollen dann die Rahmenbedingungen (z. B. Auswahl an Rohstoffen, Auswahl des Fertigungsprozesses usw.) geschaffen werden, die dann zu einer Kontrollstrategie führen.

Ausdrücklich erwähnt wird, dass manchen Validierungs-Studien an Pilotchargen (10% oder 100.000 Einheiten, größere Zahl ist zu wählen) durchgeführt werden könnten. Bei kleineren Chargengrößen könnte es notwendig sein, Validierungs-Daten im Produktionsmaßstab zu ermitteln. 

Auf jeden Fall sollten die Prozess-Qualifizierung und die kontinuierliche Prozessverifizierung immer auch mit dem Prozess-Design und den Chargen für die Bioäquivalenz-Studien "verlinkt" sein.  

Generell wird auf eine ausreichende Dokumentation hingewiesen.

Gefordert wird auch ein Entwicklungsbericht und/oder ein Technologie-Transfer-Dokument, das formal vom Entwicklungspersonal "gereviewt"  und freigegeben sein sollte. Eine weitere "Freigabe" ("formally accepted") für die Dokumente wird für das Personal der  Herstellung, dem Engineering und von "Quality" gefordert. Es werden dann Beispiele für den Inhalt von solchen Dokumenten erwähnt, genannt sind u.a. die Angabe von freigegebenen Lieferanten, aber auch (Ausgangs-)Material-Rechnungen.  

Prozess-Qualifizierung

Bei der Prozess-Qualifizierung wird eine entsprechende Qualifizierung von Personal, Räumlichkeiten, Hilfs- und unterstützenden Systemen und der Ausrüstung gefordert, bevor eine Prozessvalidierung begonnen wird. Bezüglich Anlagenqualifizierung (DQ, IQ, OQ, PQ) wird auf den Annex 2 zum Dokument Nr. 970 hingewiesen.

Interessanterweise erwähnt der Entwurf die Fertigung von mindestens 3 Chargen als traditionellen Ansatz. Jedoch wird nun ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Anzahl der zu fertigenden Chargen auf Basis einer Risikobetrachtung erfolgen sollte. Beispielhaft werden Material-Schwankungen, Produkt-Historie und die Transferorte als zu betrachtend erwähnt.  Die Stufe, bei der ein Prozess als validiert betrachtet wird, sollte definiert und die Rationale dafür angegeben sein. Das schließt die Begründung für die Anzahl der zu fertigenden Chargen auf Basis der Prozess-Komplexität und Variabilität ein.

Auffallend detailliert (16 Punkte) wird dann auf die Inhalte eines Validierungsplans eingegangen. Erfreulicherweise ist kein Zeitplan im Validierungsplan gefordert. Ein Validierungsbericht sollte den Validierungsplan reflektieren. Ebenfalls erfreulich ist die Tatsache, dass ein gemischter Validierungsplan und -bericht genutzt werden kann, wenn eine klare Abgrenzung getroffen werden kann und genügend Platz für die Eintragung von Ergebnissen zur Verfügung steht. Natürlich sollten Abweichungen klar adressiert und untersucht werden.

Der Wechsel vom Scale-up-Maßstab zum kommerziellen Maßstab sollte mittels einer Risikobewertung betrachtet werden.  

Explizit wird erwähnt, dass der Prozess im Herstellungsmaßstab vor der Vermarktung des Produkts verifiziert werden soll. Ergebnisse von relevanten Qualitäts-Attributen von z. B. Eingangsmaterialien oder IPC-Materialien sollten gesammelt werden. Extensive in-line und/oder online und/oder at-line Kontrollen sollten eingesetzt werden, um die Prozessleistungsfähigkeit und Produktqualität zeitnah zu monitoren. Prozessanalytische Technologien (PAT) und multivariate statistische Prozesslenkung (MSPC) können ebenfalls genutzt werden. Rätselhaft ist, warum Teile dieses Kapitels gelb hinterlegt sind.

Kontinuierliche Prozessverifizierung

Ziel der kontinuierlichen Prozessverifizierung ist das Zeigen, dass der Prozess im "state of control "bleibt. Ziel und Umfang der Prozess-Verifizierung wird laut dem Entwurf von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Genannt sind:

  • Entwicklungs- und Herstellungs-Erfahrungen mit vergleichbaren Produkten und/oder Prozessen
  • das Ausmaß des Prozess-Verständnisses, das während der Entwicklungs-Phase und aufgrund der Herstellungs-Erfahrung erhalten wurde
  • die Komplexität des Produkts und/oder Prozesses
  • Level der Prozessautomatisation und eingesetzte analytische Technologien
  • Prozess-Robustheit und Herstellungs-Historie seit dem Zeitpunkt der Kommerzialisierung, wenn zutreffend

Die Hersteller sollten die Geeignetheit der Verifizierungs-Strategie in einem Plan festlegen. Gelistet werden sollten die Prozessparameter, die gemonitorten Materialattribute, und die angewendeten validierten analytischen Methoden.

Definiert werden sollten ferner:

  • die Anzahl der vorgesehenen Chargen, die zu monitoren sind
  • die Art der Tests, die im Rahmen des Monitorings durchgeführt werden sollen  
  • die anzuwendenden Akzeptanzkriterien
  • die Datenbewertung

Ferner sollte jedes statistische Modell oder Tool, das eingesetzt wird, beschrieben sein. Es gibt ferner noch einen Hinweis auf eine kontinuierliche Fertigung, bei der klar festgelegt sein sollte, wann der Prozess als validiert gilt.

Die Auswertung von Zeiträumen intensiverer Probenahme und Monitorings können als Teil einer kontinuierlichen Verbesserung das Prozessverständnis steigern, so der Entwurf. Prozesstrends (z. B. die Qualität der Eingangsmaterialien) sollten untersucht werden, um die Gültigkeit der ursprünglichen Prozessvalidierung zu bestätigen oder um notwendigen Änderungen hinsichtlich der Kontrollstrategie zu identifizieren.

Der Umfang und die Häufigkeit der kontinuierlichen Prozessvalidierung sollte regelmäßig "gereviewt" werden und, sofern notwendig, entsprechend angepasst werden.

Change Management

Ein Change Management sollte den Produktlebenszyklus begleiten. Das gilt auch für schon existierende Systeme oder Prozesse. Ausreichend Daten sollten verfügbar sein, um zeigen zu können, dass der geänderte Prozess zu einem Produkt führt, das die gewünschte Qualität aufweist und den zugelassenen Spezifikationen entspricht.

Es wird ferner auf die Notwendigkeit einer gründlichen Dokumentation und einer ggf. notwendigen regulatorischen Freigabe ("Variations") hingewiesen.   

Sehr umfangreich wird dann auf Änderungen eingegangen,  die möglicherweise eine Revalidierung auslösen könnten:

  • Änderungen der Herstellungsvorschrift, von Methoden, beim Ausgangsstoff-Lieferanten
  • Änderungen der Ausrüstung oder Instrumentierung (z.B. Einführung eines automatisierten Detektionssystems)
  • Änderungen bei der Durchführung der Geräte-Kalibrierung und bei vorbeugenden Wartungen
  • Änderungen in der Herstellungs-Umgebung und von Hilfssystemen (z. B. neue Wasserbehandlungs-Methode)
  • Änderungen beim Herstellungsprozess (z. B. bzgl. Mischzeiten-, Trocknungstemperaturen)
  • Prozesstransfers
  • unerwartete Änderungen (z. B. während Selbstinspektionen oder als Folge der Analyse von Prozesstrend-Daten beobachtet)  
  • SOP-Änderungen
  • Änderungen bei Reinigungs- und Hygiene-Programmen

Referenzen

Unter den aufgeführten Referenzen finden sich viele "alte Bekannte":

  • Die EMA-Prozessvalidierungs-Leitline (noch in der Entwurfsfassung von 2012)
  • Die FDA Prozessvalidierungs-Guidance von 2011
  • Die ICH-Leitlinien Q8-10
  • 3 weitere WHO-Dokumente

Auffällig kurz ist die Kommentierungsfrist, die schon Ende April 2014 endet. Im Oktober 2014 soll das Dokument dann mit den eingeflossenen Kommentaren beim 49. WHO-Expertentreffen vorgestellt werden. Sie finden das Dokument im GMP-Forum.

Fazit

Der Dokumenten-Entwurf orientiert sich sehr an der FDA Guidance zur Prozessvalidierung. So ist der Validierungslebenszyklus direkt vergleichbar mit dem von der FDA geforderten. Folglich ist auch wie bei der FDA Guidance die Gerätequalifizierung Teil der Prozessqualifizierung. Hinweise auf einen Umgang mit Altprozessen gibt es (leider) fast nicht. Alleinig eine Bemerkung im Kapitel Change Management bezieht "Alt"-Systeme und -Prozesse  ein. Ein traditioneller Ansatz mit 3 Validierungs-Chargen wird noch erwähnt, wobei die Anzahl an Validierungsläufen aber auf Basis einer Risiko-Betrachtung festgelegt werden sollten. Interessant sind die teilweise sehr detaillierten Vorgaben zum Inhalt eines Validierungsplans und zu Änderungen, die eine Revalidierung auslösen können. Einige Rudimente aus der Erstellungsphase (z. B Kommentare) deuten auf ein nicht ganz optimales "Review" vor Veröffentlichung des Entwurfes hin. Überraschend kurz ist die Kommentierungsfrist.    

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