Wie kann ein Qualitätsrisikomanagement-Ansatz bei einer Reinigungsvalidierung aussehen?

Mit Einführung des ICH Q9-Dokumentes wurde Risikomanagement quasi in allen GMP-Bereichen verpflichtend. Das gilt auch für die Reiniungsvalidierung. Wie kann aber so ein Qualitätsrisikomanagement-Ansatz bei einer Reinigungsvalidierung aussehen? Hierzu gibt es seit kurzem eine Leitlinie der American Society of Testing and Material (ASTM). Was schlägt der Guide vor?

Das Dokument mit dem Titel Standard Guide for Science-Based and Risk-Based Cleaning Processes Development and Validation und der Kennzeichnung E3106-18 umfasst 9 Seiten mit 10 Kapiteln. Im ersten Kapitel Geltungsbereich wird schon gleich darauf hingewiesen, dass der Guide einen Lebenszyklus-Ansatz auf die Reinigungsvalidierung anwendet - beginnend bei der Entwicklung, über die Validierung bis zur Verifizierung von Reinigungsprozessen. Dieser Ansatz kann auf alle Darreichungsformen, auf Wirkstoffe und auch auf die Reinigung bei der Klinikmusterfertigung angewendet werden.

Die ersten 2,5 Seiten behandeln neben dem Geltungsbereich auch referenzierte Dokumente (Kapitel 2) und Definitionen (Kapitel 3). Interessanterweise beinhalten die Definitionen teilweise noch Diskussions-Unterpunkte, die den entsprechenden Definitionspunkt weitergehend interpretieren. Im Kapitel 4 (Signifikanz und Gebrauch) wird Bezug zu ICH Q8, 9, 10 und 11 und die FDA Process Validation Guidance Bezug genommen. Im Kapitel 5 wird die Anwendung eines  wissenschafts-, risiko- und statistikbasierenden Reinigungsentwicklungsprozesssen und -validierung empfohlen.

Kapitel 6 Risikobetrachtung

Kapitel 6 zur Risikobetrachtung umfasst 3,5 Seiten. Im Rahmen der Risikobetrachtung sollen folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • Acceptable Daily Exposure (ADE)-Werte, sofern vorhanden
  • Das threshold of toxicological concern (TTC) Konzept
  • Mikrobiologische Kontaminationen
  • Gerätedesigns
  • Handhabungsfehler

In der Risikoanalyse werden die o.g. Aspekten dann einem Risiko zugeordnet. In diese Zuordnung mit einbezogen werden sollen:

  • Die Entwicklung des Reinigungsprozesses
  • Ein Design-Review von Einrichtung und Ausrüstung
  • Ein Review der Reinigungsprozesse und
  • Die Auswahl der Analysenmethode.

Die Risikoanalyse sollte auch eine Reduzierung der Risiken umfassen. Ein wichtiger Punkt der Risikoanalyse nimmt die Charakterisierung der Prozessrückstände (Löslichkeiten, Adhäsionsverhalten) und den Einfluss des Geräte-Designs (Material, tote Enden, Entleerbarkeit) auf die Reinigbarkeit ein. Wenn möglich sollen historische Daten von Reinigungsergebnissen mit einbezogen werden. Großer Wert wird auf die Entwicklung des Reingungsprozesses gelegt. Mit in diese Entwicklung einbezogen werden sollen Laborstudien, die Bestimmung der Reingungsparameter und die Auswahl der Reinigungsmittels. Schon vorhandene Reingungs-SOPs sollten ebenfalls einer Risikoanalyse unterzogen werden. Auch Gerätschaften zum Reinigen sollten ein geeignetes Design besitzen. Interessanteweise schlägt der Guide Design of Experiment (DoE)-Versuche vor, um Reinigungsprozesse zu optimieren bis hin zu einem "Cleaning Design Space". Auch händische Reinigungen sollten mit einer Risikoanalyse betrachtet werden (gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Personen?). Bei automatisierten Reinigungssystemen sollte die Gefahr einer Kreuzkontamination durch das System selbst in der Risikoanalyse betrachtet werden.

Selbstverständlich soll auch auf die Gruppierung von Prozessen und Ausrüstung (hier taucht der neue Begriff "cleaning design space" wieder auf) auf Basis einer Risikoanalyse beruhen. Diese Gruppierungen können dann auch als Basis für Faktoren in den o.g. DoE-Versuchen dienen. Auch die Zeiten in der Geräte verschmutzt stehen dürfen, bevor sie gereinigt werden ("Dirty Hold Time")  und die Zeit in der die Anlage als gereinigt stehen darf ("Clean Hold Time") sollen auf Basis einer Risikoanalyse betrachtet werden. Dort wo kein Einfluss auf die Reinigbarkeit durch die Haltezeiten bestehen, müssen auch keine, in diesem Fall, Qualifizierungsaktivitäten genannt, gemacht werden. Ein Überschreiten dieser Haltezeiten werden mit einem neuen Begriff belegt "expired equipment hold time" (EEHT). Besonders wird noch Wert auf die Erfolgskontrolle des Trainings bei manueller Reinigung gelegt.

Das Ergebnis aller Risikoanalysen soll dann zu einer "Cleaning Control Strategy" führen, die regelmäßig zu bewerten ist.

Der nächste Punkt Probenahme unter dem Kapitel Risikoanalyse ist sehr umfangreich. Natürlich sollte auch hierzu eine Risikoanalyse die Probenahmestrategie (representative Probenahmeorte, -anzahl und -Methoden bestimmen. Im Rahmen dieser Risikoanalyse sollten auch statistische Betrachtungen einfließen. Bei Prozessrückständen mit geringem Risiko und einer vollständig einsehbaren Oberfläche werden auch nur visuelle Auswertungen auf Basis einer Risikoanalyse als ausreichend im Rahmen der Reinigungsvalidierung angesehen. Diese Einschätzung wird mit Hinweis auf den Annex 15 zitiert. Als zu bevorzugend wird eine direkte Probenahme (Swab) vor einer indirekten (Rinse) angesehen. Die Wahl sollte natürlich auch wieder auf einer Risikoanalyse beruhen. Als mögliche Methoden für  ein "Surface Scanning Sampling" im Rahmen einer Reinigungsverifizierung werden Fourier Transform Infrared (FTIR), Nah-Infrarot (NIR), Raman-, Fluoreszens- und UV-Spektroskopie genannt. Für die Probenahmentechniken werden Wiederfindungsraten gefordert und eine ausführliche Schulung der Probenehmer. Im Hinblick auf die Bestimmung der  Richtigkeit, Präzision und Robustheit der Probenahme-Technik werden statistische Techniken empfohlen. Die Auswahl der analytischen Methode (spezifisch oder unspezifisch) sollte ebenfalls auf wissenschafts- und risikobasiert sein. Ein Masterplan für die Reinigung sollte die Basis für die Reinigungs-Kontroll-Stragie bilden.

In der Risikobewertung (Evaluation) sollten dann die Reinigungsdaten gegen die Akzeptanzkriterien der Risiken bewertet werden. Im Rahmen der Risikobewertung sollte schon an eine Risikoreduktion gedacht werden, wenn Risiken zu hoch sind. Die Bewertung von Reinigungsdaten kann über "maximum safe surface residuen (MSSR) basierend auf ADE-Daten erfolgen. Mikrobiologische Daten können über ein vergleichbares Verfahren erhoben werden, so der Guide.

Die eigentlichen risikoreduzierenden Maßnahmen, sofern erforderlich, werdem im nächsten Kapitel 7 zur Risikokontrolle beschrieben. Mögliche reduzierende Maßnahmen bezüglich Bedeutung, Auftretenswahrscheinlichkeit und Entdeckbarkeit sind in einer eigenen Tabelle aufgeführt. Im Rahmen der Risikokontrolle sollte auch das Routinemonitoring erarbeitet werden. Das Routinemonitoring könnte auch in Form einer statistischen Prozesskontrolle (SPC) erfolgen. Als empfehlenswert werden auch prozessanalytische Technologien (PAT) bei die Entwicklung, Analyse und Steuerung des Reinigungsprozesses genannt, bis hin zu einem kontinuierlichem Monitoring oder gar parametrischen Freigaben der Ausrüstung. Die Ergebnisse von risikoreduzierenden Maßnahmen sollten im Sinne einer Risikoakzeptanz dokumentiert werden.

Kapitel 8 behandelt das "Risk Review". Basierend auf einer Risikoanalyse sollte die Reinigung und die Reinigungsmonitoring-Ergebnisse regelmäßig bewertet werden. Darauf basierend können die Review-Zyklen ggf. entsprechend angepasst werden. Es gibt noch einen Hinweis bei Einführung eines neuen Produktes. Auf Basis der toxikologischen Daten sollte die Einbindung dieses neuen Produktes in das bestehende Reinigungssystem betrachtet werden.

Im Kapitel 9 zur Risikokommunikation wird darauf hingewiesen, dass es bei der Risikokommunikaton  um den Austausch von Informationen über Reinigungsrisiken und deren Steuerung geht. Das betrifft die  verschiedenen Beteiligten. Genannt sind das Unternehmen selbst, verschiedene Unternehmen untereinander,  Lohnhersteller, regulatorische Behörden usw. Inhalte des Informationsaustausches sollen sich an

  •  der Bedeutung (ADE/PDE)
  •  der Wahrscheinlichkeit (Erfahrungen aus der Vergangenheit)
  • der  Entdeckbarkeit (Analytische Methoden)
  • den Kontrollen (Reinigungsverfahren und -agenzien)

und zwar immer im Hinblick auf das Patientenrisiko orientieren.

Kapitel 10 umfast ein Stichwortverzeichnis

Fazit: Der Guide zeigt sehr schön die Umsetzung eines Lebenszyklusansatzes auf Basis eines Qualitätsrisikomanagements bezüglich der Entwicklung, Validierung und Kontrolle von Reinigungen. Auffallend sind neue, bisher so in regulatorischen Dokumenten nicht aufgeführte Begriffe und Abkürzungen. Zukunftsweisend ist die Einbindung "moderner" Methoden , wie DoE und PAT, auch für die Reinigungsvalidierung. Interessant ist die Passage zum "sichtbar-sauber-Kriterium als alleiniges Akzeptanzkriterium bei einer Reinigungsvalidierung mit Hinweis auf den Annex 15. Hierzu könnte ggf. das EMA Q&A Dokument noch Hilfestellung bei Diskussionen mit Inspektoren geben.    

Der Standard Guide for Science-Based and Risk-Based Cleaning Processes Development and Validation mit der Kennzeichnung E3106-18 der ASTM ist kostenpflichtig über den Beuth-Verlag zu beziehen.

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